Nur durch das Granittor gelangt man vom 3. Portikus auf die obere
Terrasse. Die Terrasse mit dem Namen "wshyt Hbyt = Festhof" besteht aus einem zentralen Hof, den eine
Kolonnade von Säulen umgibt (siehe unten).
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Blick vom Felsmassiv auf die obere Terrasse.
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Vom Eingangsportal aus gesehen (im Foto oben) lassen sich drei
Komplexe unterscheiden. Auf der südlichen Seite (oben rechts im Foto)
liegt der Raum mit dem Fenster und die Kapellen für den Totenkult der Hatschepsut und Thutmosis I.,
auf der westlichen Seite (gegenüber dem Eingang) liegt zentral das Sanktuar für Amun und an den
nördlichen und südlichen Enden der Westwand jeweils eine weitere
Kapelle für Amun, auf der nördlichen (im Foto linken Seite) liegt
der Sonnenaltar und die Obere Anubis-Kapelle.
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Der Hof war wohl ursprünglich auf allen Seiten mit Doppelreihe von
polygonalen (16-seitigen) Säulen geplant worden (Pawlicki, 1999). Hatschepsut ließ jedoch auf der
Ostseite des Hofes eine dritte Säulenreihe errichten, wodurch der Eingang zu den
königlichen Kultkapellen auf der Südseite betont wurde und eine neue Bezugsachse
zwischen diesen Kultkapellen und dem Sonnenaltar entstand (siehe unten). |
Alle Säulen hatten an der Basis einen Durchmesser von ca. 80
cm, und eine Gesamthöhe von ca. 495 cm. Nur die zum Hofinneren ausgerichteten
Säulen waren mit einem Panel dekoriert, dass am oberen Ende den
königlichen Falken trug, der auf einen Serekh sitzend mit Doppelkrone dargestellt worden war (im Foto unten auf den beiden Säulen vor dem Granitportal zu sehen,
siehe ebenso Pfeiler des 1. Portikus).
Neben dem Namen der Hatschepsut tauchen auch die Namen ihres Vaters, Thutmosis I.,
und der ihres Mitregenten, Thutmosis III., auf den Säulen auf.
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Soweit erhalten, waren darunter Darstellungen des Nilgottes (@apy),
der eine Platte mit Opfergaben trägt, und auf einem Gold-Zeichen steht, angebracht (siehe unten). Die Nilgötter
tragen auf der südlichen Hälfte die Wappenpflanze Oberägyptens (Lotus), auf der
nördlichen Hälfte die Wappenpflanze Unterägyptens (Papyrus) als Kopfschmuck. |
Säulendekoration - auf der Südhälfte des Festhofes tragen die Nilgötter eine
Lotuspflanze als Kopfschmuck.
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Überreste eines rxyt-Darstellung auf einer Säule rechts
(westlich) der Passage zu den königlichen Kultkammern. Diese Säule trägt
oberhalb der rxyt-Darstellung den Namen von Thutmosis II.
(ursprünglich Hatschepsut) und auf der Seite zur Passage hin ein zweites
Inschriftenband mit der Bezeichnung für die Terrasse: "wshyt Hbyt =
Festhof". |
Auf den beiden Säulen rechts und links der Passage zu den
Gedenkkapellen von Hatschepsut und Thutmosis I. tragen die beiden Säulen jeweils
die Figur eines Menschen mit einem Vogelkopf (rxyt), der auf einem
Zeichen für Gold (nbw) kniet. Die gegenüberliegenden Darstellungen wenden sich jeweils dem
Durchgang zu. |
Die obere Terrasse zeigt somit zwei klare Achsen. Die
Ost-West-Achse folgt dem Prozessionsweg durch das Granitportal in die
hintereinander liegenden Räume des zentralen Kapelle des Amun, d.h.
die Achse folgt dem Weg, den die Barke des Amun zum Tempel der
Hatschepsut nimmt.
Die andere, die Süd-Nord-Achse, beginnt auf der Südseite des Tempels im
Vestibül vor oder in der Totenkultkapelle der
Hatschepsut selber und endet auf der Nordseite beim Sonnenaltar oder
in der Nördlichen Kapelle des Amun. Dies ist die "königliche
Achse", sie beschreibt den posthumen Weg nach Norden wo der
König wieder aufersteht und in die Gemeinschaft der Götter
aufgenommen wird.
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Die Dekoration der oberen Terrasse ist nach der Hauptachse
ausgerichtet. Die Säulen der inneren, zum Hof gerichteten
Säulenreihe war an den oberen Enden mit königlichen Falken dekoriert, die auf einem
Serekh saßen und die Doppelkrone trugen (hier im folgenden Foto auf
den beiden Säulen vor dem Granitportal, vgl. Pfeiler
des 1. Portikus auf dieser Seite). Neben dem Namen der Hatschepsut
tauchen auch die Namen ihres Vaters, Thutmosis I., und der ihres
Mitregenten, Thutmosis III., auf den Säulen auf. |
Ungeklärt ist die Funktion des undekorierten "Raumes mit Fenster"
in der süd-östlichen Ecke der oberen Terrasse. Früher wurde dieser
Raum als "Raum mit Erscheinungsfenster" bezeichnet (vgl. LÄ,
Bd. I, Sp. 1022). Allerdings stammen die frühesten bekannten
Darstellungen, die sicher ein "Erscheinungsfenster" zeigen,
aus der Zeit des Echnaton. Die Abbildungen zeigen Echnaton und seine
Königin, Nofretete, an einem Palastfenster wie Echnaton das "Ehrengold"
vergibt (Süd-Grab des Parennefer, Nr. 7, in Amarna; und Grab des
Ramose, TT55, Theben-West).
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Der obere Hof wird in den erhaltenen Inschriften auch als Festhof
bezeichnet, womit natürlich das "Schöne Fest des Wüstentales"
gemeint ist. Entsprechend nimmt die Darstellung der Prozession anlässlich des Festes einen großen Teil der Dekoration der oberen
Terrasse ein. Die Prozession beginnt im Tempel von Karnak, dieser
Beginn ist in den unteren Registern am nördlichen Ende der Ostwand (im
Foto oben auf der linken Seite unten) dargestellt. Die nächste Szene
zeigt die Prozession der Barke Amuns begleitet von Priestern und
Statuen der herrschenden Familie. Breiten Raum nimmt die Überquerung
des Nils ein - zwei königliche Ruderboote ziehen die Barke "Userhat"
(eine Art "schwimmender Tempel) mit der Statue Amuns und die
königliche Barke. Nach der Überquerung des Nils wird die Prozession
auf einem Kanal fortgesetzt, der am Rand des Fruchtlandes endete.
Edelleute und Priester, die Thron und Fächer des Königs trugen,
folgten den Barken auf dem Deich entlang des Kanals. Die Barken wurden
geschützt durch bewaffnete Soldaten und Bootsleute.
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Die Darstellungen zum "Schönen Fest des Wüstentals" setzen
sich auf der Nordwand des oberen Hofes mit einer neuen Prozession der
Barke des Amun fort. Details einiger Szenen sind hier besser erhalten
als auf der Ostwand, z.B. die Darstellung der verstorbenen und
lebenden Familienmitglieder der Königin. Auch hier wurde die
Darstellung der Hatschepsut entfernt (wohl bei der Restaurierung durch
Haremhab) und durch Prozessionsbarken der Mut und des Khons ersetzt. Als
nächste Szene wird die Rast der Barke Amuns in der Wegestation
zwischen Kanal und Djeser djeseru gezeigt. Danach folgt die
Darstellung der Barke im Barkenschrein des Amun auf der oberen Terrasse
und schließlich die Rückkehr nach Theben.
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Die Südseite der Ostwand (im Foto oben rechts vom Eingang) zeigt in abgekürzter Version ein anderes
thebanisches Fest, dass "Schöne Fest des südlichen Opet",
d.h. die Prozession der Statue Amuns vom Karnak-Tempel zum
Luxor-Tempel. Die Szenen zeigen den Landweg der Barke Amuns und die
Reinigungsriten in den 6 von Hatschepsut errichteten
Wegestationen entlang der Prozessionsstraße zum Luxor-Tempel. Zurück
nach Karnak wurde die Statue Amuns flussabwärts mit der Barke
"Userhat" transportiert.
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Das obige Bild zeigt Sänftenträger aus der Opet-Prozession.
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Die Dekoration der Wände des oberen Hofes zeigt, sofern erhalten, dass die Szenen nach dem Tode der Hatschepsut umgearbeitet wurden.
Meistens wurden die Darstellungen der Hatschepsut durch Inschriften
oder Opfergaben ersetzt, so dass Thutmosis III., der in den
meisten Szenen zusammen mit der Königen dargestellt worden war, zur zentralen Figur der Szenen wurde.
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Auf der Südwand des Hofes waren religiöse Zeremonien dargestellt,
die in Zusammenhang zu sehen sind mit den Totenkultkapellen für
Hatschepsut und Thutmosis I., die ja ebenfalls auf der Südseite der
oberen Terrasse liegen. Die Darstellung der Szenen folgt der
Hauptachse des Tempels, d.h. der König bewegt sich von links nach
rechts, bzw. von der Außenseite zur Innenseite des Tempels - mit
Ausnahme der Szene direkt am "Fenster der Erscheinung". Hier
wendet sich Hatschepsut - nun zu Thutmosis II. überarbeitet - nach
links direkt dem Fenster zu und weiht Opfergaben.
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Die Westwand des oberen Hofes unterscheidet sich von allen anderen
Wänden, denn sie bildet eine monumentale Fassade für das in der
Mitte der Wand gelegene Hauptheiligtum des Amun-Ra. Das Granitportal des
Sanktuars teilt
die Fassade in zwei Hälften, von denen jede Seite 5 hohe und flache sowie vier
niedrige und tiefe Nischen hat (siehe Foto unten). Ein Rundstab (Torus)
trennt
die Nischen voneinander. Die Nischen werden von Süden nach Norden mit
Buchstaben "durchgezählt", die großen Nischen haben die
Buchstaben: A, C, E, G, I, J, L, N, P, und R, die kleinen die
Buchstaben: B, D, F, H, K, M, O, Q (siehe dazu Porter&Moss, II,
340ff, Plan XXXVII).
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Eine Hohlkehle schließt die Wand nach oben ab. |
In den hohen Nischen standen osiride Statuen der Hatschepsut (siehe
oben rechte Nische), von denen allerdings nur Fragmente erhalten sind.
Wie bei vergleichbaren Statuen (z.B. im Hauptsanktuar
des Amun-Ra) ist Hatschepsut mumienartig verhüllt. Die Arme sind
über der Brust gekreuzt und in den Händen hält sie Wedel und Ankh-Zeichen
oder Heqa- und Was-Zepter. Auf der rechts gelegenen Nordseite der Wand
trugen die Statuen vermutlich die oberägyptische Krone, auf der
linken Südseite vermutlich die Doppelkrone.
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Die von Rundstäben umfassten seitlichen Umrandungen den hohen Nischen tragen je zwei Spalten
Text, in denen der Tempel Djeser djeseru mehrfach als "Haus der
Millionen von Jahren" bezeichnet wird (Ullmann, 2002). Der
Architrav zeigt eine geflügelte Sonnenscheibe (siehe unten).
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Mittlere (3.) Nische auf der Nordseite der Westwand. Der
Unterteil der osiriden Statue der Hatschepsut ist noch gut erhalten. Ober der
linken Schulter sind noch gut lesbare Reste ihre Kartusche zu erkennen. Man
vermutet, dass auch die hinter dem Kopf gelegene Kartuschen unter Thutmosis III.
zerstört worden sind, aber wegen des einschränkten Bewegungsraumes hinter dem
Kopf nicht neu dekoriert worden waren. Eingefasst durch die umlaufenden
Rundstäbe einer der Widmungstexte des Tempels. |
Ein der Widmungstexte lautet z.B. nach Grallert (2001; Hat/Wf020):
"MAat-kA-Ra, jrjn[s] m mnw[s] n itj[s]
Imn [nb nswt tAwj] irt nf [hwt]-nTr aAt
HHw m rnpt Hwt Imn _sr-dsrw m jnr HD nfr n anw m stf [Axt nt sp tpj]...
=(Werk der) Maat-ka-Ra, das [sie] gemacht hat als [ihr] Denkmal für [ihren] Vater Amun,
[Herrn der Throne der Beiden [Länder], (nämlich) das Machen für ihn ein großes Millionenjahrhaus
(namens) Tempel des Amun von _sr-dsrw aus Kalkstein an seinem [wirksamen]
Platz [des ersten Mals]...". Weitere in den Umrandungen können davon, z.B. in
den Titeln des Amun, geringfügig abweichen. |
Auf dieser überarbeiteten Aufnahme erkennt man noch Rest des Textes
und die geflügelte Sonnenscheibe über einer der hohen Nischen.
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Die Böden der kleinen Nischen weisen keine Spuren von fest installierten
steinernen Statuen auf. Man geht daher davon aus, dass in diesen
Nischen kleinformatige, tragbare Statuen von Hatschepsut - und
möglicherweise auch anderen Familienmitgliedern - aufgestellt worden waren,
die dann anlässlich von Prozessionsfesten wie dem "Schönen Fest vom Wüstental" herausgenommen wurden und am Festzug teilnahmen (Pawlicki, PAM 1998). |
Die Szenen auf den Rückwänden der kleinen Nischen zeigen Hatschepsut, die
jeweils von zwei Göttern der Großen Neunheit von Theben begleitet
wird. Auf der Nordseite schreitet die Königin dabei nach Süden, auf
der Südseite nach Norden - sie bewegt sich somit auf beiden Seiten
zum Sanktuar des Amun-Ra hin.
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Die Seitenwände tragen identischen Szenen, die schon aus dem Alten Reich bekannt
sind. Auf beiden Seitenwänden wird Hatschepsut oder ein Mitglied ihrer Familie
auf einem Thron sitzend vor einem Tisch mit Opfergaben dargestellt. Die
Kulthandlungen werden hier entweder auf der linken Seitenwand vom Iun-mut-ef oder
auf der rechten von Toth vollzogen.
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Das Foto oben zeigt die linke Wand einer Nische mit Thutmosis II. vor einem
Opfertisch und Iun-mut-ef, der die Opfergaben weiht.
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Das Foto oben zeigt die rechte Wand der gleichen Nische mit Thutmosis III.
vor einem Opfertisch und Thot, der die Opfergaben weiht.
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Die Nische H, die auf dem Südhälfte zum Sanktuar hin nächst gelegene kleine Nische, ist anders dekoriert. Auf der linken Wand vollzieht
Thutmosis III. hier die Opferhandlung vor seinem Vater Thutmosis II., die
rechte Wand zeigt in zwei Registern eine entsprechende Opfertischszene - hier
vollzieht Thot die Riten vor Thutmosis
II. und eine Opferhandlung vor Amun.
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Die kleinen Nischen sind ebenfalls von zwei senkrechten Textzeilen
umgeben, in denen Name und Titel der Hatschepsut genannt werden. Die
Architrave tragen ebenfalls eine geflügelte Sonnenscheibe.
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Im Boden vorhandene Rillen zwingen zu dem Schluss, dass die kleinen
Nischen durch zwei Doppeltüren verschlossen werden konnten - und
hinter der Tür jeder Nische fanden sich natürlich - heute zerstörte
- Darstellungen des knienden Senenmut.
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Darüber hinaus finden sich an der Westwand des Hofes zwei interessante Darstellungen, direkt
links (südlich) und rechts (nördlich) des Einganges zum Hauptsanktuar des Amun.
Beiden Szenen, die erst nach dem Abbruch der Wände des ptolemäischen Portikos zum
Vorschein kamen, zeigen eine
Königsmutter (mwt-njswt), die durch die Kartusche eindeutig als Ahmose, Mutter der Hatschepsut,
identifiziert ist (siehe südliche Darstellung auf folgendem Foto). |
Die Untersuchungen besonders der südlichen Szene ergaben,
dass die Figur und die Kartusche verändert worden sind. Unter dem Himmelszeichen
(pt-Zeichen)
ist in eine Frau dargestellt, der in Gelb gemalte Körper ist bekleidet mit einem
langen weißen Kleid. Der Kopfputz, der ursprünglich aus einem Diadem
und einem Modius (= Kalathos) auf einer kurzen lockigen Perücke bestand, wurde
in eine Geierhaube geändert. In der rechten Hand trägt sie eine Hts-Szepter
und ein mnjt-Halskragen, in der linken eine HD-Keule und ehemals ein Hathor-Sistrum
(geändert in ein
anx-Zeichen; siehe Foto unten). |
Spuren in der Kartusche verraten, dass hier ursprünglich
die Tochter der Hatschepsut, Neferu-Ra, dargestellt worden war (Szafranski,
2010) |
Ein besonderes Detail ist am Boden der südlichen Szene zu erkennen. Vor
Neferu-Ra stand einst eine weitere weibliche Figur, etwa doppelt so groß wie die
der Prinzessin. Von dieser Figur ist nur ein Zeh erhalten, der in Gelb bemalt
war. Szafranski (2010) geht davon aus, dass hier eine Göttin - vermutlich Hathor
- der Prinzessin zugewandt dargestellt worden war. Hinter der Göttin erwartet er
eine weitere Figur, die mit ziemlicher Sicherheit Hatschepsut darstellte. |
In der ursprünglichen Version zeigte die Szene somit vermutlich Neferu-Ra, die
am Eingang zum Hauptsanktuar des Amun die Göttin Hathor gefolgt von der Königin
Hatschepsut empfängt. Nach Szafranski (2010) erscheint die Bedeutung der Szene
klar: |
Die zukünftige Königin Neferu-Ra empfängt die Göttin und den gegenwärtigen
Herrscher! |
Auf der oberen Terrasse lassen sich somit eindeutig zwei Kultachsen
ausmachen:
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- eine Ost-West-Achse, die den Weg der Barke des Amun vom
Amun-Tempel in Karnak zum Sanktuar des Amun in Djeser djeseru beschreibt,
und
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- eine Nord-Süd-Achse, vom Sonnenheiligtum auf der Nordseite zu den Totenkultkapellen von
Hatschepsut und Thutmosis I. im Süden, die somit einen königlich-solaren
Charakter aufweist.
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