Maat-ka-Ra Hatschepsut

Die Kapelle der Hathor - Beschreibung

update: 29.08.2010

 

Oben der Grundriss der Hathor-Kapelle mit Angaben diverser Relief-Positionen.
1 Hathor-Kuh, gefolgt von Anubis, leckt die Hand der Königin
2 Festzug der Hathor mit Booten und Soldaten; in der nordwestlichen Ecke ist; Thutmosis III. mit einem Ruder vor Hathor dargestellt.
3 Hathor-Kuh, gefolgt von Anubis, leckt die Hand der Königin
4 Pfeiler mit Hathor-Standarten, Säulen mit Hathor-Kapitellen
5 Weret-Hekau opfert ein Menit vor Amun
6 Hatschepsut vor Hathor
7 Königliche Titel auf dem Türsturz und den Türpfosten, jeweils daneben zwei Hathor-Standarten (siehe Foto unten)
8 Bildnisse von Senenmut
9 Hatschepsut (ersetzt durch Thutmosis III.) umarmt von Hathor, beide vor Amun
10 Hatschepsut (ersetzt durch Thutmosis III.) beim Ballspiel vor Hathor
  Der Zweck des schmalen Raumes südlich der Hathor-Kapelle ist lt. Wysocki (1992) nicht bekannt.


Säule mit Hathor-Kopf

Oben und unten verschiedene Ansichten der Pfeiler und Säulen aus der Vorhalle der Kapelle. Das Bild oben zeigt ein Hathor-Kapitell. Die Kapitelle zeigen jeweils zwei Gesichter der Hathor, eines nach Osten und das andere nach Westen gerichtet. In dieser Anordnung begrüßte die Hathor die aufgehende Sonne und verabschiedete sie, wenn sie hinter den Felsen des Talkessels von Deir el-Bahari unterging.

Häufig übersehen werden die Hathor-Köpfe auf Standarten, die auf den ersten drei Pfeilern beiderseits zum Prozessionsweges hin ausgerichtet sind. Während die Hathor-Köpfe auf den nachfolgenden Säulen die aufgehende Sonne begrüßten und die untergehende verabschiedeten, geleiteten diese Hathor-Standarten die Prozession in die Kapelle.
Die Hathor-Köpfe der Standarten tragen auf noch jeweils ein Sistrum mit einem Bildfeld, in dem die Königin beim Kultlauf (siehe folgendes Foto) dargestellt ist. Alle Sistren bzw. Bildfelder sind so auf den Prozessionsweg ausgerichtet, dass die Königin in die Kapelle läuft. Die meisten dieser Bildfelder sind zerstört, vermutlich zeigt die Darstellung einen Heb-sed-Lauf.

In der Kapelle der Hathor finden sich an mehreren Stellen Reste eines Frieses mit dem Kryptogramm der Hatschepsut (siehe auch Abschnitt "Fragmente" in Weitere Bauten). In allen Fällen sind hier die Ka-Arme - im Gegensatz zur Unteren Anubis-Kapelle - nicht zerstört worden. Oben der Rest eines Frieses auf der westlichen Wand des Portikus, unten Reste auf der östlichen Wand der Portikus.


Interessant ist auch das linke Bild, aufgenommen vom Rand der 3. Terrasse aus.

Die Dekoration der Pfeiler mit Horus, der die Kronen von Ober- und Unterägypten trägt, und der Sonnenscheibe mit Uräus wird häufig übersehen.


Hathor-Kuh an der Nordwand (Position 1)

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Oben links ein Blick in die Tiefe der Kapelle, die in den letzten Jahren restauriert wurde; rechts die Köpfe der beiden Hathor-Standarten, die rechts und links von den königlichen Titeln auf Türsturz und -pfosten stehen (Position 7).

Weret-Hekau opfert ein Menat vor Amun (Position 5) Hatschepsut (nicht erkennbar) vor Hathor (Position 6)


Hatschepsut (ersetzt durch Thutmosis III.) beim Ballspiel vor Hathor (Position 10).

Lediglich hier in der Hathor-Kapelle, an den Seitenwänden einiger Nischen (Position 8 und Nische gegenüber), sind Bildnisse von Senenmut erhalten (siehe oben; Foto links: Dorman, in Les Dossiers d´Archeologie, 1993; rechts: Autor, 2007)


An der Position 9, ganz am Ende der Kapelle, umarmt Hathor die Königin und führt sie vor Amun.

 
 
Zur Kapelle der Hathor führte eine eigene Rampe, deren südliche Stützmauer auf einer alten Umfassungsmauer vom Tempel des Mentuhotep Nebhepetra errichtet wurde (siehe auch: Baugeschichte). Die Steinlagen der aus Kalkstein errichteten Mauer von Mentuhotep sind bis in einer Höhe von ca. 220 cm erhalten. Auf der Nordseite lehnte die Rampe an der Stützmauer des Haupttempels an. Die südliche Stützmauer der Rampe zur Hathor-Kapelle und die Stützmauern des Haupttempels verlaufen nicht parallel - vom Kopf der Rampe bei der Kapelle bis hin zur Ecke des 1. Portikus nimmt die Breite der Rampe um ca. 2 m zu.

Das Photo zeigt die Überreste der südlichen Stützmauer der Rampe, die zur Kapelle der Hathor führte; rechts ist die Stützmauer der 2. Terrasse zu sehen. Die linke, südliche Stützmauer der Rampe, setzt auf einer Umfassungsmauer des Mentuhotep-Tempels auf. Geradeaus: Zwischen der linken Stützmauer der Rampe und der rechten Stützmauer der 2. Terrasse erkennt man noch ein Stück einer weiteren Umfassungsmauer des Tempels von Mentuhotep, erbaut aus Nilschlammziegeln. Diese Ziegelmauer wurde von der Rampe zur Hathor-Kapelle und der 2. Terrasse überbaut.

Im Zuge der Erweiterung des Haupttempels nach Osten wurde auch der Bereich vor der Hathor-Kapelle vergrößert und die Rampe zur Kapelle mehrfach verlängert.

Wie schon unter "Lage des Bauwerkes" erwähnt, ist der Talkessel von Deir el-Bahari besonders der Göttin Hathor geweiht. Arnold (1974) folgert aufgrund seiner Untersuchungen des Tempels von Mentuhotep Nebhepetra (Begründer des Mittleren Reiches, 11. Dynastie um 2000 v. Chr.), dass in Deir el-Bahari schon früh eine Kultstätte für die Hathor existiert haben muss. Im Tempel des Mentuhotep Nebhepetra fanden sich zahlreiche Darstellungen der Hathor und ihr Name, aber kein Kultraum für ihre Verehrung. Arnold sieht es daher als zwingend an, dass eine Kultstätte für eine im Fels hausende Hathor(kuh) in der Nähe des Tempels existiert hat, so dass ein eigener Kultraum im Tempel selber nicht benötigt wurde.
Bemerkenswert ist, dass auch Hatschepsut und später Thutmosis III. jeweils eine Kapelle für die Hathor erbauen ließen, sie jedoch nicht in ihre Tempel integrierten. Hatschepsut ließ die Kapelle an der südlichen Seite ihres Tempels bauen, was einen eigenen Aufgang (Rampe; siehe Foto unten) erforderte, und Thutmosis III. erbaute eine Kapelle unterhalb seines Tempels an der Nordwestecke der Anlage von Mentuhotep Nebhepetra! Möglicherweise ließ Hatschepsut ihre Kapelle genau über dem heiligen Ort erbauen.
Hier in den höhlenartigen Hathor-Kapellen der Tempel der Hatschepsut (hier in Djeser djeseru) und des Thutmosis III. (die Kapelle befindet sich heute im Museum in Kairo) besaß das Kultbild die Gestalt einer Kuh, die die Sonnenscheibe zwischen den Hörnern trägt.

Die Hathor-Kuh wird in diesen Fällen durch Papyruspflanzen und gesäugtem Königskind als Muttergottheit gekennzeichnet, die den jungen Horus in den Sümpfen von Chemmis (= Achbit = "AX-bjt"; Geburtsort des Horus in der Nähe von Buto) verborgen aufzieht. Dies verbindet die Hathor mit dem Wiedergeburtszyklus von Osiris-Horus, so dass sie eine besondere Rolle im Königskult erlangt.


Hathor-Kuh auf die Königin zugehend, um ihr die Hand zu lecken; Position 3, rechts neben dem Eingang zur Kapelle der Hathor

Die Kapelle diente jedoch nicht nur der Verehrung der Hathor, sondern ebenfalls dem Kult und der Person der Hatschepsut. Dies fällt vor allem deshalb auf, weil sie gegen die üblichen Darstellungsregeln verstößt. Die Regel besagt, dass die Götter mehr im Inneren des Tempels dargestellt sind und dass der König sich von draußen nähert, um den Kult zu vollziehen. Hier in der Kapelle der Hathor wird Hatschepsut jedoch zweimal auf einem Thron sitzend dargestellt, während sich ihr Hathor, in Gestalt einer Kuh, von draußen nähert, um ihr die Hand zu lecken (siehe Foto oben). Die Begleitinschrift besagt, dass der Kuss der Hand, der auch die Reinigung der Königin mit der Zunge anzeigt, und die Fütterung mit Milch die Königin unter den Schutz der Hathor stellt und diese mit göttlicher Kraft und Leben ausstattet. Umgekehrt zeigen diese Darstellungen natürlich auch das Kultbild, vor dem Hatschepsut (und Thutmosis III.) opfern und damit das Kultbild beleben (so dass die Göttin darin Platz nehmen kann). 

Weniger beachtet wird an der Nordwand der Kapelle die Darstellung der festlichen Ankunft der Hathor-Prozession in Deir el-Bahari (folgendes Bild, Position 2 im obigen Grundriss). Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus der Schiffsprozession über den Nil. Der Zweck der Prozession ist in den begleitenden Inschriften genannt: "Hathor, sie hat die Geburt wiederholt" und "Man (vermutlich der König) veranlasste, dass die Majestät der Großen Göttin sich begab, um zu ruhen (= niederzulassen) in ihrem Tempel in Djeser djeseru". Die Geburt, die hier erwähnt wird, ist natürlich die der Hatschepsut, die während der jährlichen Prozession rituell wiederholt wird (Gundlach, 1998). Die Prozession endet vor dem Kultbild, das von Hatschepsut durch Opfer belebt wird, so dass Hathor in ihm Platz nehmen und die Handlungen des Säugen und Schützens ausführen kann. Die Prozession wiederholt also rituell den Zug nach Chemmis und verbindet die Geburt und die Chemmis-Handlungen (die die Gottesmutter an dem Horuskind vollzieht). Der Rahmen, in dem die Hathor-Prozession stattfand, steht auch im Text: "Das Kommen des Gottes Amun bei seiner jährlichen Fahrt" - womit das "Schöne Fest vom Wüstental" gemeint ist.

Neben vielen interessanten Details des Festzuges verdeutlich ein Reliefblock Hatschepsuts Einstellung zur Bedeutung militärischer Macht. Die wenigen Berichte über Kriegszüge während der Regierungszeit der Hatschepsut haben immer wieder zu der Vermutung geführt, sie habe die militärische Macht des Landes vernachlässigt.

Dagegen sprechen neben neueren Erkenntnissen aus den Barkenschreinen im Luxor-Tempel und der Tatsache, dass Thutmosis III. offensichtlich schon bei Antritt seiner Regentschaft über eine schlagkräftige Armee verfügte, die sich sicherlich nicht in wenigen Monaten oder Jahren aufbauen ließ, auch Reliefs in Djeser djeseru. Sowohl auf der Westwand der 3. Terrasse (siehe unten) als auch hier beim Festzug der Hathor sind Soldaten abgebildet, die allerdings abwechselnd Palmenzweige und Waffen tragen.

Diese Demonstration militärischer Macht beinhaltet die klare Aussage:
"Hatschepsut gibt dem Frieden den Vorrang, doch wer Krieg will, findet die Königin gerüstet"

Hatschepsut scheint Hathor besonders verehrt zu haben, denn sie errichtete ihr zahlreiche Kapellen. Häufig waren das in den Fels gehauene Heiligtümer mit Säulengang oder einem Vestibül. Zu diesen Tempeln zählt auch der unvollendet gebliebene Speos Artemidos bei Beni Hassan, der der Göttin Pakhet geweiht war, einer Verkörperung der kämpferischen, löwenköpfigen Hathor.
Daher ist es wenig verwunderlich, dass in Deir el-Bahari, dem der Westlichen Hathor geweihten Talkessel, Hatschepsut in ihrem Tempel der Hathor eine Kapelle geweiht hat.
Hathor begegnet uns hier nicht nur in der Gestalt einer Kuh die Hatschepsut säugt, sondern spielt auch bei der Geburt derselben eine bedeutende Rolle. In der Darstellung der Expedition nach Punt wird Hathor auch als "Herrin von Punt" bezeichnet. Dies deutet sicherlich auch darauf hin, dass Hatschepsut nicht ungern eine Verbindung zwischen ihrer Person und dem vorwiegend weiblich geprägten Kult der Hathor sah - trotz ihres Bundes mit Amun.


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Beschreibung des Bauwerks 2. Portikus

Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)