Rote Kapelle der Hatschepsut

last update: 13.04.2009

Zum heutigen touristischen Bezirk von Karnak-Tempel (Ipet-Isut) gehört noch das "Open Air" Museum (OAM), dass allerdings vom restlichen Tempelbezirk abgetrennt ist und extra Eintritt kostet. Man erreicht das OAM, in dem man den großen Festhof mit der Taharqa-Säule zwischen dem 1. und 2. Pylon nach links gehend verlässt und dem Weg in Richtung der Toiletten folgt. Im OAM findet man neben mehreren Barkenschreinen (darunter die weiße Kapelle des Senwosret I. (White Chapel), den "Alabaster-Schrein des Amenhotep /Thutmosis I., und den "Kiosk" des Thutmosis IV.) auch die sogenannte Rote Kapelle (Chapel Rouge) der Hatschepsut.

Roten Kapelle (Nordseite) - "Der Lieblingsplatz des Amun"

Hatschepsut begann mit dem Bau dieses Barkenschreines aus Quarzit- und Dioritblöcken einige Jahre vor ihrem Tode. Der ursprüngliche Standort ist immer wieder kontrovers diskutiert worden, denn keiner der Steinblöcke wurde in situ gefunden. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte sie jedoch im zentralen Hof des Amun-Bezirkes vom Karnak-Tempel gestanden haben. Nach den archäologischen Befunden französicher Ausgräber war die Rote Kapelle in mitten des Gebäudekomplexes errichtet worden, den Hatschepsut vor dem Amun-Tempel aus dem Mittleren Reich erbaut hatte.
Anfänglich wurde die Rote Kapelle so in diesen Gebäudekomplex positioniert, dass sie nach Westen aus diesem Komplex herausragte. Inzwischen rekonstruieren die franz. Archäologen die Position der Kapelle inmitten des Gebäudekomplexes so, das sie bündig mit dessen Front abschloss (Burgos, Larché, 2006).


Aktuelle Positionierung der Roten Kapelle (Ausschnitt aus Burgos, Larché, 2008, Plan Seite 254). Oben in Gelb die Mauer des Hofes aus dem MR, in Rot der Gebäudekomplex der Hatschepsut mit der Roten Kapelle.

Bei der Wiederaufbau im "Open Air"-Museum wurde die Roten Kapelle im Vergleich zum ursprünglichen Standort um ca. 90° gedreht aufgebaut, d.h. der Haupteingang, der ursprünglich nach Westen - zum Nil hin - ausgerichtet war, zeigt heute südwärts zum Luxor-Tempel. Die hier gemachten Seitenangaben beziehen sich immer auf die ursprüngliche Ausrichtung der Kapelle.

Die Dekoration der Kapelle wurde von Thutmosis III. nach dem Tode der Hatschepsut fortgesetzt und vermutlich mit der Absicht, sie für sich zu usurpieren, verändert. Schließlich wurde der Barkenschrein jedoch von Thutmosis III. abgebaut, wobei er einige Blöcke in dem von ihm errichteten Heiligtum des Amuns, im Herzen von Karnak-Tempel weiter verwendete. Die restlichen Blöcke wurden für eine weitere Verwendung gelagert. Einige Blöcke fand man in moderner Zeit in den Fundamenten des Tempels von Ptah (im Ostteil von Ipet-Isut) und in der Nähe des 9. Pylons wieder. Einen Grossteil der Blöcke verwendete jedoch Amenhotep III. (3 Generationen nach dem Abbau der Kapelle) als Füllmaterial des 3. Pylons von Ipet-Isut, wo sie perfekt konserviert wurden.

Einige hundert Blöcke wurden zwischen 1898 und 1999 wieder gefunden, untersucht, und im Open Air-Museum von Karnak jahrelang auf Betonstützen gelagert.

Die ägyptologische Untersuchung der Blöcke durch das "Centre franco-égyptien d'étude des temples de Karnak (= CFEETK)" unter Leitung von Nicolas Grimal und Francois Larché (s. a. Larché, F., "The Reconstruction of the So-Called "Red Chapel" of Hatschepsut & Thutmosis III. in the Open Air Museum at Karnak", kmt, Vol. 10, No. 4, 1999-2000) führte schließlich zu einer hypothetischen Rekonstruktion der Roten Kapelle. 

Aber vor der Wiedererrichtung wurden die architektonischen Details jedes einzelnen Blocks untersucht. Die Rekonstruktion wurden dann von dem Steinmetz des CNRS Franck Burgos und dem Architekten François Larché durchgeführt und 2001 abgeschlossen und 2006 ausführlich publiziert)

Einige Seiten im WWW befassen sich mit der Rekonstruktion der Roten Kapelle, z.B.:
Red Chapel of Hatshepsut reconstructed
Chantier au temple de Karnak

Einzelheiten der Architektur werden auf einer gesonderten Seite dargestellt.

Gemäß dem Standort handelt es sich bei der Roten Kapelle um ein Barkensanktuar zu Ehren Amuns bzw. zu dessen ithyphallischer Erscheinungsform. Auf Letzteren deuten neben verschiedenen Reliefdarstellungen auch die Dekoration mit Lattich-Friesen hin. Lattich (Lactuca sativa) galt als heilige Pflanze des Fruchtbarkeitsgottes Min, wahrscheinlich wurde es als Aphrodisiakum angesehen. Bei den Festprozessionen des Min wurde ein Lattich-Beet mitgetragen.

Die meisten Blöcke zeigen Hatschepsut allein oder zusammen mit Thutmosis III. bei verschiedenen rituellen Handlungen (z.B. beim Opet-Fest, bei der Verehrung von Amun, beim Kultlauf anlässlich der "heb-sed"-Feier, etc.).


Hatschepsut - und dahinter ihr Mitregent Thutmosis III. - folgen der Barke des Amun beim Opet-Fest. Die Kartusche der Maat-ka-Ra ist 2x im oberen Register zu erkennen (über dem Kopf der Hatschepsut und rechts oben über dem letzten Barkenträger), die Kartusche Thutmosis III. ist links oberhalb des Kopfes. Beide tragen in dieser Szene die Khepresch- bzw. Blaue Krone.

Einige Blöcke weisen Spuren von gezielten Zerstörungen auf, so sind auf dem folgenden Block im Register rechts Figur und Kartusche der Hatschepsut ausgemeißelt worden. Allerdings sind die Versuche ziemlich unvollständig durchgeführt worden, wie das linke Register zeigt.
Hatschepsut opfert Weihrauch vor Amun (linkes Register) und Amun in seiner ithyphallischen Erscheinungsform (rechts; die merkwürdigen Gebilde hinter Amun  stellen wohl Lattich-Pflanzen dar, die heilige Pflanze des Fruchtbarkeitsgottes Min ). Im rechten Register sind Figur und Kartusche der Hatschepsut entfernt worden.

Diese auch an anderen Baudenkmälern der Hatschepsut zu beobachtenden Zerstörungen werden oft als Hinweise auf eine "Damnatio memoriae" Thutmosis III. interpretiert.
Meyer (Meyer, Chr., 1989) dagegen interpretiert die Zerstörungen an der Roten Kapelle durch Thutmosis III. als den Versuch, die Kapelle für sich zu usurpieren. Dies könnte zur der Beobachtung passen, dass Thutmosis III. offensichtlich die beim Tode der Hatschepsut unfertige Kapelle zu Ende dekorieren ließ - daher finden sich in den oberen Registern (3 Szenen des 7. und das gesamte 8. Register, nach Meyer, 1989) ausschließlich Blöcke auf denen Thutmosis allein dargestellt ist.
Nach Ansicht von Meyer deuten die sporadischen Tilgungen darauf hin, dass die Versuche, die anderen Reliefblöcke umzuarbeiten, entweder an der Zahl der zur Verfügung stehenden Steinmetzen oder an der Art und Qualität des Steinmaterials gescheitert sind. Die außerordentliche Qualität des roten Quarzits war sicherlich ein Grund für den Versuch, ihn weiter zu verwenden, aber die Härte des Steines erschwerte wohl auch massiv die Entfernung der alten Reliefs mit nachfolgender Glättung und erneuter Dekorierung.
Auffällig ist allerdings, dass kein Block Hinweise darauf liefert, dass versucht worden war, den Block neu zu dekorieren!

Die Verteilung der zerstörten Blöcke, die jetzt nach der Rekonstruierung der Roten Kapelle wieder erkennbar ist, lässt aber kein systematisches Umarbeiten an der noch stehenden Kapelle erkennen - eher scheint die Verteilung, wie von Dorman angenommen, auf Verwüstungen hinzudeuten, die später an den abgetragenen Blöcken erfolgt sind.
Die Abbildung von Lacau und Chevrier, 1979 (siehe oben, entnommen aus: Dorman, 1988) zeigt die südliche Seite der Roten Kapelle. Die aufgefundenen Blöcke sind nummeriert, die, auf denen die Nummer eingekreist ist, zeigen eine intakte Darstellung der Hatschepsut oder ihres Namens, während die gestrichelt dargestellten Blöcke verändert wurden.
Unübersehbar liegen hier Blöcke mit unzerstörten Darstellungen neben solchen mit Zerstörungen. Darüber hinaus ergab die Untersuchung der wieder aufgefundenen Blöcke, das 87 komplett durch die Wände reichten und daher auf zwei Seiten, also Innen und Außen, dekoriert worden waren. Von diesen Blöcken waren 32 absichtlich verändert worden, darunter 11 Blöcke, auf denen Hatschepsut auf beiden Seiten dargestellt worden war - jedoch nur auf einer der Seiten war ihre Darstellung zerstört worden. Auf weiteren 11 Blöcken waren ihre Darstellungen auf beiden Seiten ausgelöscht worden.
Darüber hinaus verwies Loeben (mündl. Mitteilung, 2002) darauf, dass die Blöcke bei der Herstellung mit "Werkstatt-Signaturen" versehen worden waren. Diese waren so angebracht, dass sie nach dem Verbauen der Blöcke nicht mehr zugänglich waren. Doch auch von diesen "Werkstatt-Signaturen" waren einige zerstört - was nur erfolgt sein kann, nachdem die Rote Kapelle abgebaut worden war.

Auch auf auf einigen Blöcken der unteren Register wird Thutmosis III. allein in Aktion gezeigt, so auf dem folgenden Block.
Man erkennt an der Trennungslinie zum nächsten, linken Block, dass das Bild von schräg unten aufgenommen wurde, d.h. dieser Block befindet sich etwas unterhalb der halben Mauerhöhe, gehört also nicht zu der oberen Reihe von Blöcken, die nach dem aktuellen Stand der Forschung von Thutmosis III. nach dem Tode der Hatschepsut zur Vollendung der Kapelle ergänzt wurden (siehe unten).
Der Block zeigt Thutmosis III. mit der Blauen oder Khepresch-Krone bekleidet allein opfernd vor Hatschepsut, die, als Osiris dargestellt, vor einer ihrer Barkenstationen zwischen Karnak- und Luxor-Tempel steht (der Anfang der Barkenstationen ist rechts hinter der Figur zu erkennen). Das kann aber nicht als Hinweis darauf interpretiert werden, dass dieser Block erst nach dem Tode der Hatschepsut dekoriert worden ist. Es handelt sich lediglich um eine typische Darstellung aus dem Dekorationsprogramm, wie andere Blöcke belegen, auf denen Hatschepsut vor ihren eigenen osiriden Darstellungen Kulthandlungen durchführt.

Thutmosis III. (die Kartusche " Men-Cheper-Ra" ist über dem Kopf zu erkennen) opfert im rechten Register vor Osiris, der die Doppelkrone trägt (über dem Kopf der osiriden Darstellung der Hatschepsut erkennt man horizontal ihre Kartusche)

Nach dem aktuellen Stand der Forschung geht man davon aus, dass Thutmosis III. die Abschlussreihe der oberen Blöcke setzen ließ und mit dem Dekorationsprogramm an drei Blöcken des 7. und an allen Blöcken des 8. Registers fortfuhr. Auf diesen Reliefs taucht er dann nur noch allein auf. Vermutlich erst einige Jahre nach dem Tode der Hatschepsut wurden die Arbeiten an der Roten Kapelle eingestellt und die Kapelle schließlich abgebaut (s. a. Meyer, Chr., ibid.).

Neben den verschiedenen religiösen Dekorationen berichtet eine Inschrift der Roten Kapelle auch von einem Palast auf der Nordseite - im Grundriss unten links - des Amunbezirkes, wahrscheinlich an einem offenen Hof gelegen, wo Amenhotep III. später den 3. Pylon errichten ließ (Stadelmann, "Temple Palace and Residential Palace.", 1996). Wahrscheinlich handelt es sich um einen Palast für ausschließlich rituelle oder zeremonielle Anlässe, auch wenn einige Pharaonen von sich behauptet haben, in Ipet-Isut (Amun-Bezirk von Karnak) geboren zu sein. Möglicherweise stand an gleicher Stelle ein älterer Palast aus der Zeit des Sesostris I.

Der umlaufende - unvollständige - Sockel der Roten Kapelle aus Grano-Diorit gibt weiterhin in zahlreichen Reliefs ("Procession Géographique") Hinweise auf die Bautätigkeiten der Hatschepsut. Die Grano-Diorit-Blöcke der südlichen Seite sind auf einer eigenen Seite abgebildet (Monumente der Hatschepsut auf der Basis der Roten Kapelle). In den roten Quarzit-Blöcken darüber finden sich Darstellungen der Wegestation der Opet-Prozession, diese werden ebenfalls auf einer eigenen Seite präsentiert.
 
Auch über die Errichtung von beiden Obelisken wird auf einem der Blöcke der Roten Kapelle berichtet. Es ist dabei ziemlich sicher, dass es sich um das zweite Obeliskenpaar handelt, das Hatschepsut zwischen dem 4. und 5. Pylon errichten ließ.

Die Inschrift des Blockes gehört zu der Reihe von "Stiftungsszenen", in denen Hatschepsut sich Weihegaben für ihren "Vater" Amun lobt. Manche sehen hierin einen Teil ihres Legitimationsprogrammes.

 
Mit wenigen Ausnahmen können einzelne Blöcke auf folgenden Seiten angesehen werden:

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf der Südwand

Rote Kapelle - Verteilung der Blöke auf der Nordwand

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf dem Westtor

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf dem Osttor

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf der nördlichen Innenwand des Vestibüls

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf der südlichen Innenwand des Vestibüls

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf der nördlichen Innenwand des Sanktuars

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf der südlichen Innenwand des Sanktuars

Rote Kapelle - Verteilung der Blöcke auf den Toren des Sanktuars


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