Maat-ka-Ra Hatschepsut

last update: 01.06.2008
 
Das Königsgrab - KV20
 

Lage des Grabes:
Das Grab liegt auf der Ostseite des Tals der Könige in einer Felsspalte verborgen.

Das Foto zeigt den modernen Weg zum Grabe des Montuhirhopshef (KV19). KV20 (roter Pfeil) liegt links unterhalb einer Felsspalte, das Grab der Amme der Hatschepsut, Sit-Ra (KV60), liegt verschlossen unter dem modernen Weg (grüner Pfeil).

Der Eingang wurde am Fuß der Felsspalte ca. 2 m tief in den Boden gegraben und geht dann recht genau (~ 100°) nach Osten in den Berg (siehe folgendes Foto).

Wie in der Skizze unter beschrieben, geht der kaum geglättete Gang mehrere Meter weit nach Osten, biegt dann aber nach rechts ab (siehe folgendes Foto).


Beschreibung des Grabes:

KV20 ist das längste und tiefste und - von einigen Privatgräbern im Tal der Könige abgesehen - wohl auch das außergewöhnlichste Grab. KV20 windet sich vom Eingang (A) über ca. 213 m bis in die Sargkammer (J), die etwa 97 m unter der Oberfläche liegt. Der Gang verläuft am Anfang in östlicher Richtung, auf Deir el-Bahari zu - also in Richtung des Tempels der Hatschepsut -, verlässt diese Richtung jedoch relativ rasch (nach ca. 50 m) und wendet sich nach Süden. Vermutlich dürfte die Stabilität der Felsformationen) der Grund für diese Richtungsänderung gewesen sein, denn am Beginn wurde der aus drei Galerien bestehende Gang durch Kalkstein, später durch brüchigen Grauschiefer gegraben. Der Fels war so brüchig, dass nicht nur jeder Versuch, die Wände zu glätten, zum Scheitern verurteilt war, sondern es gibt darüber hinaus nicht mal Hinweise, dass versucht wurde, die rauen Wände zu verputzen.

Der 1. Abschnitt (A - B) verläuft glatt, ohne Stufen. Im 2. Abschnitt (B - C) sind, wie in der Skizze angedeutet, auf der linken Gangseite Treppenstufen eingehauen, rechts war der Gang glatt, damit die Sarkophage herunter geschoben werden konnten. Die erste Kammer (C) ist undekoriert und nur grob behauen. In ihrer rechten Ecke setzt sich der Gang (C - D) fort, auch hier findet man auf der linken Gangseite Treppenstufen. Im Abschnitt D - C2 fehlen die Stufen, dafür finden sich hier an den Wänden Befestigungsschlitze für Balken, mit denen die Sarkophage abgebremst wurden. Der Abschnitt endet in einer kleinen Kammer (C2). Von C2 aus führt der Gang (D2) zuerst weiter nach Süden, macht aber dann einen Bogen nach Westen und endet in der großen Vorkammer (F), die wohl die ursprünglich vorgesehene Sargkammer war. Ein kurzer Gang (G) führt schließlich in die Sargkammer (J), die von 3 zentralen Pfeilern gestützt wird.

Die Sargkammer (J) ist insofern ungewöhnlich, als dass sie kleiner ist als die Vorkammer (F) - in jedem anderen Königsgrab im Tal der Könige ist die Sargkammer  der größte Raum. Außerdem hat die große Vorkammer keine Säulen, die Sargkammer  deren drei. Daraus geht klar hervor, dass die Sargkammer  und der letzte kurze Gang, der von der Vorkammer zu ihr führt, auf einem anderen Plan beruhen, als der Rest der Grabanlage.
Drei Lagerräume (a - c) gehen am hinteren Ende von der Sargkammer ab. In Richtung der Lagerräume gesehen steht zwischen den Pfeilern und der rechten (östlichen) Wand der Sarkophag von Thutmosis I. und links zwischen den Pfeilern und der westlichen Wand der der Hatschepsut. Aufgrund der schlechten Qualität der Felswände war auch die Sargkammer  nicht dekoriert, Carter fand jedoch mehrere rot und schwarz beschriftete Kalksteinblöcke mit Zeichnungen von Szenen des Amduat, die wohl für eine Auskleidung des Raumes vorgesehen waren. Diese Blöcke, die sich heute im Museum in Kairo befinden, könnten die ältesten Szenen aus dem Amduat darstellen.

Zeichnung der Sargkammer  "J" von KV20 mit den Positionen der Sarkophage von Hatschepsut = "D" und Thutmosis I. = "C"; der Deckel des Sarkophags "C" stand an der Wand, der von "D" lag auf dem Boden (hier links oberhalb des Unterteils). Man beachte, dass der (gerundete) Kopf des Sarkophags "C" nach Süden ausgerichtet ist.
Von den insgesamt 3 Pfeilern, die zentral in der Achse des Grabes standen, ist nur noch einer weitgehend erhalten.

Das Grab wurde wohl schon im Altertum ausgeraubt. Die Gänge und die Sargkammer  enthielten daher nur wenige Artefakte. Neben den beiden Quarzit-Sarkophagen "C" und "D" (die Bezeichnungen gehen auf William C. Hayes, "Royal Sarcophagi of the XVIII Dynasty", 1935, zurück) fand man noch einen Kanopenkasten aus Quarzit (siehe separate Seite). Der Sarkophag der Hatschepsut (Sarkophag "D"; H: 100 cm, ohne Deckel: 86,5 cm; B: 87,5 cm, L: 245 cm) stand offen und leer in der Sargkammer, der Deckel lag auf dem Boden. Der Sarkophag "C" lag gekippt auf seiner linken Seite, sein Deckel lehnte sorgfältig an der Wand der Sargkammer.

Stirnwand des Sarkophages "D" der Hatschepsut aus KV20 mit der Göttin Isis, die auf dem Zeichen für "Gold" kniet;
rechts im 1. und 3. Register sowie oben ist jeweils die Kartusche mit dem Thronnamen der Hatschepsut, "Maat-ka-Ra", zu erkennen


(Museum Kairo; Erdgeschoss, Atrium)

Zusammen mit der Kanopentruhe ist der Sarkophag "D" samt Deckel heute im Museum in Kairo ausgestellt. Weiterhin fand sich aus ihrer Grabausstattung noch ein mit ihrer Königstitulatur beschriftetes Holzkästchen, das bei einer Beisetzung in der 21. Dynastie wieder verwendet wurde.
Teile des anthropoiden Holzsarges von Hatschepsut fand man in KV4, dem Grab Ramses XI. (20. Dyn.), in dem auch Relikte aus anderen Pharaonengräbern gefunden wurden. Ganz offensichtlich hat das Grab KV4 in der 3. Zwischenzeit als Werkstatt gedient - hier wurden wohl Mumien und Grabbeigaben restauriert und bei dieser Gelegenheit wohl auch ihres Goldschmucks beraubt.
Die Tatsache aber, dass zur 3. Zwischenzeit noch ein anthropoider Holzsarg der Hatschepsut in KV4 "bearbeitet", und, dass zur Zeit der 21. Dynastie noch ein existierendes Holzkästchen mit ihrer Königstitulatur für eine Bestattung verwendet wurde, spricht sehr dafür, dass sie standesgemäß bestattet wurde. Andererseits weist die Wiederverwendung des oben erwähnten Holzkästchen bei einer Bestattung während der 21. Dynastie darauf hin, dass die Königsgräber bereits zu dieser Zeit geplündert wurden.

Den zweiten, für Thutmosis I. umgearbeiteten, Sarkophag "C" der Hatschepsut, erhielt Davis als Anerkennung seiner finanziellen Unterstützung der Grabung. Davies schenkte ihn weiter an das Museum of Fine Arts in Boston (wo er heute noch ist). Der Sarkophag "C" war ursprünglich für Hatschepsut vorgesehen und bereits in entsprechender Weise beschriftet. Für die Aufnahme der Mumie von Thutmosis I. wurde der Sarkophag neu dekoriert, der Innenraum wurde offensichtlich mehrfach erweitert, da er für die Aufnahme des anthropoiden Sarges von Thutmosis I. zu klein war. Dabei wurden die gerade erst erstellten Beschriftungen für Thutmosis I. wieder zerstört. Wahrscheinlich reichten diese Änderungen nicht aus, so dass die Mumie bei der Grablege möglicherweise aus dem anthropoiden Sarg herausgenommen werden musste.

Eine detaillierte Untersuchung des Sarkophags "C" wurde von Der Manuelian und Loeben (1993) vorgelegt - vergleichbare Untersuchungen für die anderen beiden Sarkophage der Hatschepsut fehlen dagegen.

 

Geschichte und Zuordnung des Grabes:
Die Lage des Grabes war schon in der frühen Neuzeit bekannt, denn schon die französische Expedition unter Napoleon I. berichtete darüber. Der Versuch, das Grab freizulegen scheiterte jedoch. Der Brite John G. Wilkinson schaffte es aber in der zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts den ersten Teil des Grabes freizulegen. Er gab schließlich ebenfalls auf, denn das morsche Gestein und der kalkhaltige Schutt hatten sich durch einsickerndes Regenwasser in den vergangenen Jahrtausenden zu einem zementharten Gemisch verbacken. Auch James Burton (1824) unternahm einen Versuch zur Freilegung, stellte die Arbeiten aber nach der 2. Treppe ebenfalls ein, da die verwendeten Lampen mangels Sauerstoff verlöschten.

Nach der Entdeckung des Grabes von Thutmosis IV. wollten Howard Carter und Theodore Davis 1903 KV20 freilegen. Bis dahin war noch niemand bis zur Sargkammer  vorgedrungen, es war lediglich bekannt, dass sich der stark abfallende Gang im Uhrzeigersinn nach rechts drehte.


Carters Arbeit war ebenso schwierig wie die seiner Vorgänger, aber er verfügte wenigstens über elektrisches Licht. Vor dem Eingang (A) fand er schließlich ein "Grundsteindepot" mit einem schriftlichen Hinweis auf Hatschepsut (daneben auch noch zerbrochene Steingefäße mit den Namen der Urgrossmutter, Ah-mose-Nefertari, und der Eltern, Thutmosis I. und Ah-mose). Damit schien belegt, wem das Grab gehörte - vor allem, weil Carter zu diesem Zeitpunkt bereits nach dem Grabe der Hatschepsut suchte, denn er hatte in der Nähe beim der Untersuchung des Grabes von Thutmosis IV. (KV43) bereits einen Skarabäus und eine Schale gefunden, die mit ihrem Namen beschriftet waren.
Ausgehend von dem Grundsteindepot und den später in der Sargkammer (J) gefundenen Sarkophagen von Hatschepsut und Thutmosis I. ging Carter davon aus, dass Hatschepsut KV20 für sich und ihren Vater, den sie aus seinem Grab KV38 hatte umbetten lassen, angelegt habe.

Spätere Analysen der Grabanlagen und der Sarkophage der Thutmosidenzeit brachten Romer (1974) zu dem Schluss, dass KV38 später als KV20 angelegt wurde. Nach seinen Analysen ist KV20 als Grablege für Thutmosis I begonnen und von Hatschepsut für eine gemeinsame Bestattung mit ihrem geliebten Vater ausgebaut worden.
Der Ausgangspunkt für die Diskussion war die Feststellung von Hayes (in: Hayes, W.C., "Royal Sarcophagi of the XVIIIth Dynasty.", Princeton 1935), dass der Quarzitsarkophag für Thutmosis I. (nach Hayes, op. cit.: Sarkophag "E"; Kairo JdE 52344) aus KV38 formal und stilistisch mit dem Sarkophag "F" des Thutmosis III. nahezu identisch war. Somit sind vermutlich beide Sarkophage zur gleichen Zeit während der Herrschaft von Thutmosis III. hergestellt worden.
Romer untersuchte daraufhin die restlichen Funde in KV38 und gelangte zu dem Schluss, dass nicht nur der Sarkophag "E", sondern auch ein großer Teil der inschriftlichen und archäologischen Funde aus dem Grab ebenfalls in die Zeit von Thutmosis III. gehörten.
Romer verglich die Architektur von KV38 mit KV42 (vermutlich Grab Thutmosis II.) und KV34, dem Grab Thutmosis III. Bei allen drei Gräber stellte er typologische Gemeinsamkeiten fest (z.B. eine Sarkophaghalle in Form einer Kartusche). Darauf hin datierte er alle drei Gräber in die gleiche Entstehungszeit. Infolge der Spätdatierung von KV38 fehlte jetzt ein Grab für Thutmosis I.
Typologisch passt nun das Grab der Hatschepsut, KV20, überhaupt nicht in die Entwicklung der königlichen Grabbauten wie sie von KV 38, KV42 und KV34 angezeigt wird. Nicht nur der zweimalige Rechtsknick der Grabachse, sondern auch die Größenverhältnisse zwischen Vorkammer (F) und Sargkammer (J) stellen eine Besonderheit dar, denn die Vorkammer ist im Gegensatz zu anderen Königsgräbern größer als die Sargkammer.
Außerdem stellte Romer fest, dass für den Bau der Sargkammer "J" ein anderer Baumeister als für die davor liegenden Abschnitte (A - D2; siehe Plan oben) verantwortlich war. Das Grab war offensichtlich in 2 Phasen gebaut worden.
Als Architekt der  ersten Bauphase (Teil A - D2) - gilt Ineni, Baumeister und Bürgermeister von Theben.
Wie Romer (1974) festgestellt hat, war in der Sargkammer,  jedoch in keinem der anderen Räume, dasselbe "Maßsystem" verwendet worden, das auch im Tempel der Hatschepsut in Deir el-Bahari benutzt wurde (die Sargkammer besteht aus zwei Rechtecken, mit einer Seitenlänge von etwa 10.5 Ellen; dieses Maß fand auch bei der Planung des Tempels von Montuhotep II. Neb-hetep-Ra und dann erneut bei Djeser djeseru Verwendung). Dies deutet seiner Ansicht nach auf Senenmut als Baumeister des Erweiterungsbaues hin.

Zusammenfassend kam Romer zu der Schlussfolgerung, dass KV20 als Grab für Thutmosis I begonnen und unter Hatschepsut lediglich um die abschließende Sargkammer  mit den drei Pfeilern erweitert wurde (s. Grundriss oben). Bei der Erweiterung der Anlage ließ seiner Ansicht nach Hatschepsut wohl auch neue Grundsteindepots setzen, was später Carter in die Irre führte.
KV38 ist nach Romer von Thutmosis III. für seinen Großvater Thutmosis I., der aus dem Grab der Hatschepsut unter Zurücklassung seines Sarkophages entfernt wurde, erbaut worden.

 
 



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