Maat-ka-Ra Hatschepsut

last update: 19.08.2011
 

Wo ist die Mumie?

 

Dem Begräbnis der Hatschepsut wird ein mit ihrem Namen beschrifteter Kasten zugewiesen, der in der Cachette in Deir el-Bahari (DB320) entdeckt wurde. In dem Holzkasten (folgendes Photo) befand sich ein Paket mit inneren Organen (siehe unten). Darüber hinaus fand Romer Reste ihres hölzernen Sarges - neben Gegenständen anderer Pharaonen - in einem Schacht des Grabes von Ramses XI.  (KV4). Augenscheinlich wurde KV4 während der "Rettungsarbeiten" an den Pharaonengräbern zur Zeit Pinudjems I. (21. Dynastie) als Werkstatt zum Ausbessern und Sortieren benutzt.



Kasten aus Holz und Elfenbein mit der Kartusche der Hatschepsut (unterhalb des Knaufes, zwischen den beiden dunklen Streifen, die Ra-Hieroglyphe ist noch gut zu erkennen) gefunden in DB320; der Kasten enthält nach aktuellen Meldungen vermutlich eine mumifizierte Reste der Leber oder des Magen, und sowie den Rest eines Backenzahnes); Ägyptisches Museum, Cairo JdE 26250 (Foto: aus D. Forbes, "MaatkaRe Hatshepsut", kmt 16, 3, 2005)

Die Mumie der Hatschepsut war lange verschollen bzw. nicht identifiziert. Verschiedene weibliche Mumien wurden daher im Laufe der Zeit als die ihre diskutiert.

In der Cachette in Deir el-Bahari wurden die meisten Mumien der Pharaonen der 18. Dynastie gefunden, darunter Thutmosis I. (die Zuordnung ist allerdings fraglich), Thutmosis II. und III. Daneben wurde auch die Mumie einer nichtidentifizierten Frau aus dem Neuen Reich gefunden, direkt neben einem leeren Frauensarg und dem oben gezeigten Holz-Elfenbeinkasten (mit mumifizierten inneren Organen [ev. Leber oder Magen] sowie sowie den Rest eines Backenzahnes). Auch bei dieser Mumie wurde mal vermutet, dass es sich um die Mumie der Hatschepsut handeln könne.
Nach Maspero (Momies Royale; zitiert nach LÄ II, Sp. 1048) wurde der oben gezeigte Kasten in der 21. Dynastie für die Bestattung der Königin Maat-Ka-Ra Mutemhat wiederverwendet, wofür Petrie (vermutlich hier Maspero folgend) Änderungen in der Kartusche (Auslöschung des Namens des Amun) anführt  - demnach wäre die Zuordnung des Inhalts unsicher.
Allerdings widerspricht N. Reeves dieser Annahme, da er bei einer persönlichen Inspektion keine Hinweise für eine Änderung der Kartusche entdeckt hat (Reeves, N., Valley of the Kings. 1990; Chapter I Notes, 25).
Auffällig ist jedoch, dass das Paket [mit den inneren Organen], das man in dem Kasten gefunden hat, offensichtlich für den Kasten zu groß ist, weshalb sich der Deckel nicht schließen lässt. Möglicherweise gehört das Paket nicht in diesen Kasten und war ursprünglich in einem anderen Behälter untergebracht. Möglicherweise stammt dieses Paket auch aus einer späteren Zweitverwendung des Kastens.

Auch im Grab des Amenhotep II. (Amenophis II., KV35) wurden zahlreiche Mumien aus der 18. Dynastie entdeckt, darunter auch in einem Nebenraum zwei nichtidentifizierte Frauen, die man als "ältere" bzw. als "jüngere Frau" bezeichnet (beide sind heute im Kairoer Museum). Die jüngere Frau kommt aus Altersgründen für eine Identifizierung als Hatschepsut nicht in Frage, die ältere, bei der es sich um eine Frau im Alter von über 40 Jahren handelt, wurde lange Zeit für die Königin Tiye (Teje) gehalten.

Donald Ryan diskutierte die Möglichkeit, dass die Mumie der Hatschepsut bereits aufgefunden, aber nicht als die ihre identifiziert wurde (Ryan, D. P., "Who is buried in KV60", kmt, Vol. 1, No. 1, 1990). Auf die Hypothese von Elizabeth Thomas (Thomas, E., The Royal Necropoleis of Thebes, 1966; nach Ryan, kmt 1, 1990)  zurückgreifend schlug Ryan vor, dass die bisher nicht identifizierte Mumie in KV60 die der Hatschepsut sein könnte. 

Die Mumie in KV60

Carter entdeckte 1903 das Grab KV60, schloss das beraubte und  undekorierte Grab aber nach einer kurzen Inspektion wieder. Nach Carters Bericht enthielt das Grab 2 beschädigte weibliche Mumien, eine davon lag in einem dekorierten Sarg (KV60-B), die andere auf dem Boden (KV60-A). Darüber hinaus berichtete er von einigen mumifizierten Gänsen.

1906 öffnete Edward Ayrton KV60 erneut. Vermutlich 1908 brachte er auch die in ihrem Sarg liegende Mumie samt Sarg ins Museum nach Kairo, aber dazu fehlen die Belege. Die Mumie selber wurde zuerst 1916 im Museum registriert. Der Sarg war beschriftet mit dem Namen der Sat-Ra (wr Sdt nfrw nswt In = Große königl. Amme, In), die man inzwischen als Amme der Hatschepsut kannte.

Die 2. Mumie einer teilweise ausgewickelten, fettleibigen, großbrüstigen Dame mittleren Alters mit abgenutzten Zähnen blieb auf dem Boden des Grabes liegen, ebenso wie die rot-blonden Haare, die neben dem ansonsten kahlen Schädel lagen (Ryan, 1990).  Anschließend wurde das Grab wieder versiegelt.

Unbekannte Frauenmumie aus KV60-A (Foto: Ryan, kmt, 1990)

Die Frau war in der für die 18. Dynastie üblichen Armhaltung für Königinnen - linker Arm über die Brust gebeugt - mumifiziert worden. Ryan legte die Mumie in einen Holzsarg, nachdem er das vergessene Grab 1989 wiederentdeckt und geöffnet hatte. Bessere Fotos gibt es auf der Webseite von Donald P. Ryan.


Kürzlich publizierte der Generaldirektor der ägyptischen Altertumsbehörde (SCA), Z. Hawass, eine alternative Hypothese in der Zeitschrift kmt 17, Nr. 2, 2006.
Anlässlich von Filmarbeiten für eine Dokumentation ließ Zahi Hawass KV60 Mal öffnen und sah sich die zweite Mumie (KV60-A) selbst an. Er gelangte bei der Besichtigung zu der Überzeugung, dass die im Grabe zurückgelassene Mumie (KV60-A) nicht die der Hatschepsut, sondern die der Amme Sat-Ra sei, da:
  • die sehr korpulente Tote offensichtlich im hohen Alter verstorben war,
  • war nicht mit höchster Sorgfalt bei der Mumifizierung behandelt worden,
  • und große Hängebrüste hatte (was für eine Amme nicht verwunderlich wäre),
  • die Armhaltung dieser Mumie fand Hawass nicht überzeugend "königlich"
Er ließ darauf hin im Museum in Kairo nach der Mumie der Sat-Ra (KV60-B) suchen, die schließlich auch auf dem Dachboden aufgefunden wurde. Im Gegensatz zu der Mumie in KV60 ist diese Mumie seiner Ansicht nach mit größerer Wahrscheinlichkeit die der Hatschepsut. Er führt dafür folgende Beobachtungen an:
  • der rechte Arm der Mumie liegt ausgestreckt am Körper, der linke Arm ist über dem Unterbauch angewinkelt,
  • die linke Hand ist so geschlossen, als hätte sie einen Gegenstand gehalten,
  • die Person ist sorgfältig mumifiziert und war ursprünglich in feinstes Leinen gewickelt, wobei die Finger einzeln bandagiert sind,
  • die Zehen waren zusammen bandagiert worden (aber die Bandagen sind vermutlich auf der Suche nach Gold entfernt worden),
     
  • die Mumie mit langes weißes Haar ist nur 1,50 m groß, die Sargwanne jedoch 2,13 m und somit offensichtlich nicht für diese Person angefertigt worden,
  • die in KV60 auf dem Boden zurückgelassene Mumie ist weit größer und zu ihr würde die Sargwanne wesentlich besser passen
  • die in der Sargwanne unter der Mumie liegenden Leinenreste sind nicht von gleicher Qualität wie die Bandagen an der Mumie.

Hawass vermutet, dass in der 3. Zwischenzeit (demnach während 21. oder 22. Dynastie) im Zuge der großen Umbettungsaktion der königlichen Mumien durch thebanische Priester, die Mumie der Hatschepsut von KV20 nach KV60 gebracht und in die Sargwanne der Sat-Ra gelegt wurde. Daher könnte es sich bei der seit rund hundert Jahren auf dem Dachboden des Kairener Museums liegenden Mumie tatsächlich um die der Hatschepsut handeln, während die auf dem Boden des Grabes abgelegte Person ihre Amme wäre.

Am 27. Juni 2007 hat nun die ägyptische Altertumsbehörde (SCA) das Ergebnis ihrer Untersuchungen bekannt gegeben.
Überraschend wird jetzt doch die Mumie KV60-A, die bis vor wenigen Wochen noch im Tal der Könige in KV60 gelegen hatte, als Mumie der Hatschepsut identifiziert.
Die Ergebnisse des CT-Scans der Mumie KV60-A wurden mit Scans der Mumien verglichen, die man mit großer Sicherheit als ihre nächsten männlichen Verwandten identifiziert hat: Thutmosis II. und III.
Die Scans (Hawass, kmt 18, 3, 2007) ergaben, dass Thutmosis II. ca. 168 cm groß gewesen war und im Alter von ca. 40 Jahren starb. Seine Zähne waren in einem guten Zustand, sein Herz war deutlich vergrößert, was wohlmöglich zum Tode geführt hat. Thutmosis III. war ca. 175 cm groß und erreichte ein Alter von rund 50 Jahren.
Anatomische Vergleiche der Gesichtsschädel (Nasenbein, Jochbein, Jochbeinbogen, Kieferknochen, Kieferwinkel, Kinn, Überbiss, und Stirn) ergaben zahlreiche Übereinstimmungen zwischen den drei Mumien, so ist z.B. der Überbiss offensichtlich ein charakteristisches Familienmerkmal. Es gab jedoch auch einige Übereinstimmungen mit dem "Unbekannten Mann" (Unknown Man; JE 26217, CG 61065), der bisher für Thutmosis I. gehalten wurde - aber nach den CT-Untersuchungen dafür nicht mehr in Frage kommt.

Die Ergebnisse der anatomischen Vergleiche erlauben somit keine Identifikation der Mumie KV60-A.


Als Schlüssel zu dieser Identifizierung ziehen die Experten des SCA daher den Backenzahn heran, der bei den CT-Untersuchungen in der Holzkiste aus DB320, die mit der Kartusche der Hatschepsut gekennzeichnet war, entdeckt wurde. Diesem Backenzahn fehlt einer seiner Wurzeln. Nach CT-Untersuchungen des SCA passt dieser Zahn recht gut in eine Lücke im rechten Oberkiefer der Mumie KV60-A, wo auch die fehlende Wurzel noch steckt.
Die "Identifikation" des SCA beruht somit lediglich auf Bildern von CT-Scans, die einen Backenzahn mit abgebrochener Wurzel und eine möglicherweise zu diesem passende Zahnlücke im rechten Unterkiefer der Dame KV-60A zeigen - und der Annahme, dass der Backenzahn, wenn er schon in einer Kiste mit dem Namen der Königin liegt, auch von dieser stammt.

Die als Hatschepsut identifizierte Dame KV60-A war etwa 159 cm groß und starb im Alter zwischen 46 und 60 Jahren. Am Ende ihres Lebens war sie so fett, dass - so Hawass -die inneren Organe durch den Beckenboden anstelle des üblichen Unterleibschnittes entnommen wurden. Das Gehirn verblieb im Schädel.
Nach den CT-Bildern litt sie an Osteoporose, Arthritis an den Wirbelknochen, und hatte einen Bandscheibenvorfall. Bei einer Gewebemasse, die vom linken Darmbein (Os ilium) ausging und dessen beide Oberflächen erodierte, dürfte es sich wohl um die Metastase eines [nicht identifizierten] Primärtumors handeln. Eine Abnahme der Knochendichte der Wirbelkörper dürfte in die gleiche Richtung deuten.
Die Zähne waren in einem extrem schlechten Zustand. Die Dichte der Zähne war verringert, zahlreiche hatten Karies und/oder waren abgebrochen. Der 7. obere Backenzahn auf der rechten Seite war abgebrochen, die Wurzel steckte aber noch im Kiefer. Zusammen mit der Fettleibigkeit deutet der schlechte Zustand der Zähne auf einen Diabetes mellitus hin.

Jetzt hat das SCA entschieden, die Identifikation der Mumie durch DNA-Untersuchungen voranzutreiben, man hat ja ein paar Verwandte - obwohl deren Identifikation auch nicht gesichert ist.
Erste Vergleiche von mitochondrialer DNA-Proben, die aus dem Knochenmark des Beckens und des Femurs entnommen wurden, deuten auf eine Verwandtschaft zwischen der fraglichen Mumie und Ahmes-Nefertari, die ja vermutlich ihre Großmutter ist - die Untersuchungen sind aber noch nicht abgeschlossen.


 Gräber   Historie 

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