Karnak-Tempel

last update: 24.01.2013
  NTrj-mnw

und andere kleine Gebäude aus der Umbruchszeit


Bei den vielen Ausgrabungen in Karnak kamen zahlreiche Bruchstücke ans Tageslicht, die aus der Zeit von Thutmosis II., Hatschepsut, und Thutmosis III. stammten. Mehrere Kalkstein-Blöcke wurden bei der Ausgrabung der Cachette im Hof vor dem 7. Pylon gefunden, wo sie auf der östlichen Seite im Fundament des Hofes verbaut worden waren. Größere Blöcke sind heute im OAM, im südlichen Steinlager, und im Luxor-Museum ausgestellt.

Gabolde (2005) hat die zahlreichen Fundstücke untersucht und daraus die Existenz von 4 aus Kalkstein errichteten Bauwerken in Karnak abgeleitet - das "NTrj mnw = Göttliches Monument", eine kleine Nischenkapelle, die dem Kult mehrerer Mitglieder der königlichen Familie gewidmet war, eine (Barken?-)Kapelle, und schließlich eine kleine, nur bruchstückhaft erhaltene Kapelle.
Die Analyse der mit flach-erhabenen Reliefs dekorierten Blöcke ergab, dass diese Bauwerke den Zeitraum der Wandlung der Großen Königlichen Gemahlin, des Gottesweib des Amun, Hatschepsut zur Regentin für Thutmosis III. und abschließend zur Herrin der Beiden Länder Maat-ka-Ra reflektieren - ein Zeitraum, der bisher eher dürftig in den Monumenten dokumentiert ist.

NTrj mnw = Göttliches Monument"
Dieses Monument ist in drei Texten belegt (Larché, 2007): auf einer Statue des Hapuseneb, die in die Zeit von Thutmosis II. datiert wird (auf der Statue A 134, die sich heute im Louvre befindet, schreibt Hapuseneb: Ich habe errichtet eine Tempel aus schönen weißen Kalkstein (namens): "Maat-ka-Ra, göttlich durch ihre Monumente."), auf der Roten Kapelle (Westtor, Block Nr. 131, "Tempel des Men-kheper-Ra (namens): "Amun, göttlich durch [seine] Monumente"), datierend in die Zeit der Koregentschaft von Hatschepsut und Thutmosis III. (, und im "Texte de la Jeunesse" von Thutmosis III. ("Sanktuar (namens): Göttliches Monument aus schönem weißen Sandstein.")

204 bisher wiedergefundene Kalksteinblöcke (Larché, 2007) erlauben nicht nur den Versuch einer Rekonstruktion dieser Kapelle, sondern auch Aussagen über ihre Dekoration. Die folgende Zeichnung (modifiziert nach Gabolde, 2005) zeigt seinen Rekonstruktionsversuch, der komplette Grundriss lässt sich jedoch ebenso wenig rekonstruieren, wie der ursprüngliche Standort des Gebäudes.
Nichtsdestoweniger plant das CFEETK einen Wiederaufbau der Kapelle in naher Zukunft am Eingang des Open-Air-Museums in Karnak. Eine Sicherungsgrabung an der Stelle, an der die Kapelle errichtet werden soll, hat bereits 2008/2009 stattgefunden.

Nach den bisher aufgefundene Blöcken war die Kapelle ausschließlich Amun geweiht, was möglicherweise darauf hindeutet, dass dieses Monument im Zentrum von Karnak in der Nähe der Kapelle für die Barke Amuns gestanden haben könnte.

Vier Personen lassen sich in den erhaltenen Darstellungen identifizieren: Thutmosis II., Hatschepsut, Thutmosis III. und Neferu-Ra - allerdings treten sie niemals gemeinsam auf. Gemeinsam dargestellt wurden Thutmosis II. und Hatschepsut, gelegentlich begleitet von Neferu-Ra, die niemals allein auftaucht. Darüber hinaus findet sich eine Szene (Wand 2), in der Thutmosis III. und Hatschepsut gemeinsam dargestellt sind. In dieser Szene stehen sie jeweils einzeln vor Amun bzw. dem ithyphallischen Amun, d.h. König Thutmosis III. und die Gottesgemahlin (und Große königliche Gemahlin) Hatschepsut vollziehen gleichzeitig den Kult.

Das Foto oben zeigt die Große Königliche Gemahlin Hatschepsut, die 2 Gefäße opfert, hinter ihr steht ihre Tochter, die Gottesgemahlin Neferu-Ra (das es sich hier um Neferu-Ra handelt, geht aus den Resten des benachbarten Blockes hervor, auf dem Teile der Kartusche mit ihrem Namen erhalten sind; Gabolde, 2005, Tafel XI). Die Rückseite dieses Blockes ist deutlich schlechter erhalten und zeigt den inthronisierten Gemahl der Hatschepsut, Thutmosis II. (Gabolde, 2005, Tafel X).



Zahlreiche Reliefdarstellungen zeigen deutlich Spuren nachträglicher Änderungen an Namen und Titulaturen der Personen, wobei die figürlichen Darstellungen weitestgehend unangetastet blieben.
In mehreren Szenen sind die Namen von Thutmosis II. und der seines Sohnes und Nachfolgers Thutmosis III. übereinander gesetzt. Allerdings wurde nicht, wie man erwarten würde, der Namen Thutmosis III. über den seines Vaters gesetzt, sondern genau umgekehrt - Thutmosis III. wurde durch Thutmosis II. ersetzt.

An mehreren Stellen wurde außerdem der Name Thutmosis III. durch den der Hatschepsut ersetzt.


Das Foto oben stammt von der Wand 2 und zeigt Thutmosis II. dem seine kleine Tochter Neferu-Ra folgt (siehe Kartusche; Gabolde, 2005, Tafel III) und - dargestellt auf einem weiteren Block - rechts die Königsgemahlin Hatschepsut.


Das Foto oben stammt von der Wand 7 (Gabolde, 2005, Tafel XV) und zeigt drei Titel der Hatschepsut aus der Regierungszeit ihres Gatten: "Königsschwester, Gottesgemahlin, Große Königliche Gemahlin".


Das Foto oben stammt von der Wand 8 (Gabolde, 2005, Tafel XVI) und zeigt drei Kartuschen - die linke ist nur noch andeutungsweise erhalten - der Hatschepsut aus der Regierungszeit ihres Gatten mit den Titeln: "[Herrin?] der Beiden Länder [nb.? ]t tA.wj; Große Königliche Gemahlin (= Hm.t nsw wr.t); ??? von Ober- und Unterägypten (= ...^maw MHw)".

Ein einziger Block zeigt Spuren einer Änderungen von Hatschepsut in Maat-ka-Ra. Dieser Block ist auch in anderer Hinsicht einzigartig - er wurde im Ach-menu verbaut aufgefunden.

Die Abfolge der Änderungen lässt auf einen Baubeginn in den ersten Jahren nach dem Tode von Thutmosis II. und der Thronbesteigung seines Sohnes, Thutmosis III., schließen. Dazu passend ist das Gebäude auch unter den Tempel-Personifikationen des unteren Registers der Roten Kapelle aufgeführt (Westtor, Block Nr. 131): "Tempel des Men-kheper-Ra (namens): "Amun, göttlich durch [seine] Monumente".
Das Motiv für diese Aktionen entzieht sich unserer Kenntnis. Man darf aber angesichts der politisch möglicherweise "unsicheren Zeiten" eben an eine "politische" Erklärung denken: da Thutmosis III. durch T. II. ersetzt wurde, bedeutet das, Thutmosis III. war seinem Vater bereits auf den Thron gefolgt und vermutlich sollte die Bedeutung von Thutmosis II. posthum hervorgehoben, und die seines Sohnes und Nachfolgers verringert werden.
Die Änderungen von Thutmosis III. in Hatschepsut deuten ebenfalls darauf hin, dass diese Aktionen in den ersten Regierungsjahren Thutmosis III., d.h. während der Regentschaft der Hatschepsut erfolgt sind. Auch hier dürfte die Aktion der Aufwertung der ehemaligen Großen Königlichen Gemahlin Thutmosis II. und aktuellen Regentin für Thutmosis III. gedient haben.

Nutznießer - und somit auch Initiator - dieser Aktion könnte die Regentin Hatschepsut gewesen sein, vielleicht gehörte diese Aktion zur Vorbereitung ihres Griffs nach den gesamten königlichen Rechten.
 

Die Nischenkapelle
Die beiden folgenden Darstellungen zeigen Thutmosis II. bzw. die Gottesgemahlin Hatschepsut. Gabolde (Gabolde, 2005, Tafel XLI) positioniert die beiden Szenen in zwei benachbarte Nischen, die sich im Südflügel der westlichen Abschlussmauer des "Großen Festhofes" von Thutmosis II. zur Hofseite (d.h. nach Osten) öffneten.


Der rote Pfeil zeigt auf die "Kapelle mit Nischen" im Südflügel der westlichen Abschlussmauer der "Großen Festhofes" (modifizierter Plan nach Larché, 2007).

Eine dritte Nische war Neferu-Ra gewidmet und zeigt die "Tochter des Königs, die Königsschwester", zwischen einer kuhköpfigen Hathor (links) und Amun (rechts). Dieser Block war eine zeitlang im südlichen Steinlager in Karnak gelagert.


Die beiden Fotos (oben und unten) zeigen einen Block, der heute im OAM ausgestellt ist. Auf der einen Seite (oberen) erhält die Gottesgemahlin (Hmt nTr) Hatschepsut "Leben" von Seth, dem "Ombiten, der den Süden beherrscht" und wird von Nephthys, "die Karnak beherrscht" (links) umarmt.

Auf der anderen Seite des Blocks erhält Thutmosis II. von Osiris (rechts), "Hrj-ib Ipt-swt  = der in Karnak residiert" und Isis (links), "die Göttliche", die Rote Krone.


Das Foto oben zeigt einen Block, der ebenfalls aus der Nischenkapelle stammt (Gabolde, 2005, Tafel XLII). Er zeigt, wie die Reste der Kartusche belegen, die Gottesgemahlin Neferu-Ra, die von der Hathor (links) zu Amun (rechts geführt wird, der die Prinzessin begrüßt (zurzeit wird der Block im südlichen Steinlager in Karnak ausgestellt).

(Barken?-)Sanktuar
Sofern anhand der wenigen Fragmente möglich, rekonstruiert Gabolde (Gabolde, 2005, Tafel XXXVI) einen Grundriss für das Gebäude mit zwei Räumen (Breite ca. 5 m, Länge > 6 m, Höhe knapp 6 m), der dem der Roten Kapelle der Hatschepsut sehr ähnlich ist.
Auf den erhaltenen Fragmenten sind lediglich Thutmosis II. und Hatschepsut dargestellt, weder Thutmosis III. noch Neferu-Ra konnten auf den Überresten des Gebäudes nachgewiesen werden.

Die folgenden Blöcke zeigen Thutmosis II. der 2 Stiere und ein Kalb - ursprünglich vermutlich 2 - vor Amun präsentiert. Der König trägt u.a. die Doppelkrone (Pschent), den Königsschurz, einen Halskragen dekoriert mit zwei gekreuzten Falkenflügeln, und in der rechten Hand einen Stab. 
Hinter Thutmosis II. steht Hatschepsut. Ein Fächer, gehalten von einem anx-Zeichen, schützt das königliche Paar. Nach rechts schließt sich der Rest einer nicht erhaltenen Szene vor dem ithyphallischen Amun an.
Die Tatsache, dass Thutmosis II. vor Amun stehend die Kulthandlung vollzieht und Hatschepsut ihm folgt, und das Thutmosis III. in den Darstellungen des Sanktuars völlig fehlt, spricht für eine Errichtung der Kapelle während der Regierungszeit Thutmosis II.


Thutmosis II. gefolgt von Hatschepsut präsentiert 2 Stiere und 2 Kälber vor Amun; alle Blöcke heute im Luxor-Museum; Fundort unbekannt, vermutlich Cachette-Hof.

Von besonderem Interesse ist die Darstellung der Hatschepsut, die ganz offensichtlich nachträglich, d.h. vermutlich während ihrer Regentschaft, geändert wurde. Ins Auge fallen die Reste der Kartusche mit ihrem Thronnamen "Maat-ka-Ra", den sie sicher nicht als Gemahlin der Thutmosis II. getragen hat. Darüber hinaus wurden die Schultern verbreitert, um die Darstellung "maskuliner" erscheinen zu lassen, die Perücke wurde in ein "nemes"-Kopftuch umgewandelt, und das Szepter der Königsgemahlin in ein HqA-Zepter umgewandelt. Das rechte Bein wurde zur Schrittstellung nach vorne gezogen, d.h. die Darstellung einer mit geschlossenen Beinen stehenden Figur wurde in die Darstellung einer gehenden Figur umgewandelt. Am erhaltenen Teil des rechten Beines sieht man über dem Knie noch den Rand eines einfachen, eng anliegenden Kleides. Spuren des Kleides sind auch noch als Träger über der linken Schulter zu erkennen.


Modifizierte Darstellung der Hatschepsut

Von dem 4. Gebäude aus Kalkstein sind nur wenige Blöcke erhalten. Zwei Blöcke hat Labib Habachi publiziert, sie passen aneinander und tragen den Rest eines Szepters von Amun und in 6 Registern eine Eulogie der Maat-Ka-Ra / Hatschepsut. Nach Gabolde (2005) wurde im Text die Kartusche überarbeitet und Hatschepsut durch Maat-ka-Ra ersetzt.
Je ein weiterer Kalksteinblock befindet sich im Brooklyn Museum, New York (Inv. Nr. 87.1), bzw. im Ägyptischen Museum in Kairo (JE 40640). Der Block in New York zeigt Fragmente des Gesichts eines Königs oder eines Gottes. Der Block in Kairo trägt Reste der Titulatur der Maat-ka-Ra und Thutmosis II., die allerdings teilweise zerstört wurde.


Die aus verstreut wiedergefundenen Blöcken identifizierten vier Kalkstein-Monumente aus Karnak beleuchten eine Zeit des Umbruchs zu Beginn des neuen Imperiums.
Zwischen dem Tod ihres Bruders und Ehegatten Thutmosis II. und ihrer eigenen Annahme der Pharaonenwürde um das Jahr 7 von Thutmosis III. hat Hatschepsut die Regentschaft übernommen, von der man gerne annahm, dass sie sie aktiv gestaltete. Aber über diese Zeit war bis zur jüngsten Gegenwart wenig bekannt, da sie in den Monumenten nur sehr dürftig dokumentiert war.
Diese vier Gebäude -  das "NTrj mnw = Göttliches Monument", die kleine Nischenkapelle, die dem Kult mehrerer Mitglieder der königlichen Familie gewidmet war, die (Barken?-)Kapelle, und schließlich die kleine, nur bruchstückhaft erhaltene Kapelle - geben so Anhaltspunkte, die es möglicherweise erlauben zu zeigen, dass der Übergang von der Position der königlichen Witwe und Regentin des Königreichs zu der des Pharao für Hatschepsut sehr progressiv erfolgte, ja sogar dass die Königin sich extrem früh - vielleicht sogar schon in den letzten Monaten der Herrschaft von Thutmosis II. -  bestimmter königlicher Vorrechte bemächtigte.
Die Untersuchungen geben dazu Anlass, den historischen Rahmen dieser Periode erneut zu überprüfen. Sie bezogen sich spezifisch auf die königlichen Titulaturen, die Ziel von manchmal unerwarteten Überarbeitungen waren, wie den Austausch des Namens von Thutmosis III. durch den von Thutmosis II., und die "progressive Maskulinisierung" der Hatschepsut. Diese Untersuchungen erlauben recht genau festzuhalten, in welchen Etappen die Hoheitsfunktionen schrittweise an Hatschepsut übertragen wurden - bis zur kompletten Machtfülle Pharaos.

     

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Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)