Maat-ka-Ra Hatschepsut

last update: 23.01.2012

Pfeilerhallen des Tempels Djeser djeseru

2. Portikus - Geburtshalle

Im nördlichen Flügel des 2. Portikus wird in 15 Bildern, durch senkrechte Linien getrennt, der Geburtsmythos der Hatschepsut erzählt. Allerdings ist die häufig benutzte Bezeichnung "Geburtshalle" nicht ganz zutreffend. Vielmehr wird die Legende ihrer göttlicher Abstammung von Amun erzählt.
Der Legende der göttlichen Zeugung der Hatschepsut wird auf der Westwand und den angrenzenden kleinen Seitenwänden im Norden und im Süden in den beiden unteren Registern als flaches Hochrelief dargestellt. Darüber steht ein Bericht über die "Jugendjahre" und die "Thronerhebung" der Königin. Nach Brunner, 1986, sind beide Darstellungen als unabhängig voneinander zu betrachten.
Die Darstellungen und Texte in Djeser djeseru zeigen ebenfalls wie der Geburtsmythos des Amenhotep III. im Luxor-Tempel Spuren wiederholter Zerstörungen und Restaurierungen. Hier in Djeser djeseru gehen die Tilgungen der Darstellungen und Namenskartuschen der Hatschepsut sicherlich auf Thutmosis III. zurück (der sie meistens auf Thutmosis II. umwidmete, aber auch einfach durch grobe Hammerschläge "passgenau" tilgen ließ), die Zerstörungen Amuns sind eine Folge der Amarnazeit. 
Spuren der Restaurierung finden sich noch aus der Zeit des Ramses II., der ließ allerdings nur die Götterbilder erneuern, die Abbilder der Hatschepsut waren für ihn nicht von Interesse. Nach Brunner (1986) waren auch ausgesprochene Stümper am Werke, die den Bilderzyklus augenscheinlich nicht beherrschten, aber dafür den Stil der frühen 18. Dynastie oberflächlich zu kopieren suchten. Sehr unangenehm sind dabei die häufigen Restaurierungsvermerke, die zwar nicht über Figuren, wohl aber über alte Inschriften hinweglaufen.

Häufig wird der Eindruck vermittelt, dass Hatschepsut diesen Geburtsmythos zur Manifestation ihrer Herrschaft erfunden habe. Nach Altenmüller (Altenmüller, H., "Auferstehungsritual und Geburtsmythos", SAK, Vol. 24, 1997) steht diese Geburtslegende aber in der Tradition der sogenannten "Bettenszenen" aus den Privatgräbern des Alten Reiches (etwa ab der 4. Dynastie), die als Bilder eines Auferstehungsrituals interpretiert werden. Diese Bettenszenen sind ursprünglich dem Bereich der Grablegung zugeordnet, und beziehen sich auf die Auferstehung des "gebetteten" Verstorbenen im Jenseits - und, wenn es sich um den König handelt , auch auf die Aufnahme des Gottkönigs in die Götterwelt.
Zum Bildprogramm dieses - im Bereich der Privatgräber des Alten Reiches erhaltenen - Auferstehungsrituals gehört das Aufstellen eines Bettes in einem Zeltstangengebäude, das Beziehen des Bettes mit einem Laken, das Aufstellen der Kopfstütze (für seine Frau) auf dem Bett, das Abwischen des Stuhles, auf dem sich der Grabbesitzer niederlassen soll, und möglicherweise auch der feierliche Auszug in einer Sänfte. Das Herrichten des Bettes deutet darauf hin, dass der Verstorbene in dem an ihm vollzogenen Auferstehungsritual eine dem "Osiris" verbundene Rolle einnimmt (zitiert nach Altenmüller). In der Verbindung mit Osiris ermöglicht das Ritual der "Bettenszene" die Aufhebung des Todeszustandes, Auferstehung und Wiedergeburt. Der Todeszustand wird durch das Sitzen auf dem Bett und durch die Fürsorge der Ehefrau, die hier die Rolle der "Isis" übernimmt, aufgehoben. Die ihm in Liebe verbundene Ehefrau ist das Medium für die Auferstehung des Verstorbenen - sie reproduziert nach erfolgter Zeugung den Grabherren im Sohn. 
Das Bettenritual ist also ein Auferstehungsritual, ein Symbol der Wiedergeburt! Die Entwicklung dieser "Bettenszenen" dürfte einhergehen mit der Entwicklung des Osiris-Kultes im Alten Reich.


Deir el-Bahari: die schwangere Königsmutter Ahmose auf der Wege zur Geburtslaube; aus Tyldesley (zitiert)
 
Im Mittelpunkt des Geburtsmythos steht die Geburt des Gottkönigs, dessen göttlicher Vater im Alten Reich Ra ist (Ra-djed-ef ist der erste, der den Titel "Sohn des Ra" trägt), im Neuen Reich Amun. Die Rolle der Mutter wird von der tatsächlichen Mutter des Gottkönigs übernommen.
 
Dieser Mythos stellt eine der Grundstrukturen des ägyptischen Königtums dar. Für die Zeit des Neuen Reiches findet man den Bildzyklus - wie schon erwähnt in Djeser djeseru - und in der Geburtshalle des Amenhotep III. im Luxor-Tempel (wobei nach Brunner die Version im Luxor-Tempel ältere Elemente als die in Djeser djeseru enthält). Fragmente entsprechender Bildzyklen lassen sich im Ramesseum und im Mut-Tempel von Karnak wiederfinden. Brunner vermutet mit anderen, dass der Darstellungszyklus zur Geburt des Gottkönigs zu den kanonischen Tempelreliefs gehörte und nur durch Zufall die vollständigen Zyklen in Djeser djeseru und Luxor-Tempel neben den fragmentarisch erhaltenen Bilder im Ramesseum bzw. Nordost-Tempel der Mut in Karnak erhalten geblieben ist.

Kürzlich publizierte Arnold (Arnold, D., Neue architektonische Erkenntnisse von der Pyramide Sesostris III. in Dashur. Sokar 23-2, 2011) die Ergebnisse seiner Grabungen in den Jahren 2008 - 2010 am Aufweg zur Pyramide Sesostris III. Die Grabungen brachten zahlreiche Blockfragmente ans Licht, die eine teilweise Identifizierung des Dekorationsprogramms erlaubten. Mehrere Blockreste gehören offensichtlich zu einer Szenenfolge über die göttliche Zeugung und Geburt des Pharaos, wie wir sie aus der Geburtshalle des Tempels der Hatschepsut in Deir el-Bahari kennen. Der Mythos, dass Hatschepsut den Geburtszyklus hat abbilden lassen, um ihre Thronbesteigung zu legitimieren, muss mit diesem Befund wohl ad acta gelegt werden. Vielmehr scheint der Geburtszyklus zur Standarddekoration der Kultanlagen gehört zu haben.


Geburtszyklus:
Der Bildzyklus hat die folgende Sequenz (alle Abbildungen stammen aus Naville, 1894 - 1908; die Beschreibungen und Kommentare zu den einzelnen Szenen wurden bei Brunner, 1986, entnommen).

1a. Amun verkündet vor dem Rat aus 12 Gottheiten (links in zwei Registern 5 weibliche und 7 männliche Gottheiten) den Plan, einen neuen König zu zeugen;
von rechts nach links:
obere Reihe:
Osiris, Isis, Horus, Nephthys, Seth, Hathor;
untere Reihe:
Month, Atum, Schu, Tefnut, Geb, Nut; die Götter hatten ursprünglich eine rotbraune, die Göttinnen eine gelbe Haut;

diese Szene (1a + b) nimmt die ganze Südwand ein


1b. Amun verkündet vor dem Rat aus 12 Gottheiten (rechts auf dem Thron Amun) den Plan, einen neuen König zu zeugen;

senkrecht vor Amun ein Restaurierungsvermerk von Ramses II. (siehe Kartusche)

 

Der gesamte Bilderzyklus hat die literarische Form der "Königsnovelle", die Hermann entdeckt hat (Hermann, 1938). Diese in der ägyptischen Geschichte fest verankerte Form beginnt meist mit einer Erklärung des Königs, in der er seinen Entschluss zu einer Tat dem Auditorium (einer Ratsversammlung oder auch der Königin) mitteilt. Die Mitglieder der Versammlung stimmen dem zu und es wird sofort zur Tat geschritten, indem der König einen Sonderbeauftragten ernennt und diesem entsprechende Anweisungen erteilt. Die hier beschriebene "Legende von der göttlichen Zeugung" verlegt das Geschehen, wie das erste Bild zeigt, vom Königshof in den Götterhimmel.

2. Amun (links) sendet Thot (ganz rechts ist in Kopfhöhe noch die Schnabelspitze des Ibis-köpfigen Gottes erkennbar) aus, nach einer Frau unter den Menschen als geeignete Mutter für den zu zeugenden König zu suchen;

Amun blickt hierbei in Zyklusrichtung - ist also der Ankommende (gilt für für ihn und alle anderen Gottheiten in allen Szenen)

auch hier - mitten in der Szene  - ein Restaurierungstext von Ramses II.

 

Die beiden einzigen Figuren der Szene, Amun und Thot, stehen sich gegenüber. Der Name des Amun, "Jmn-Ra, nb-nswt-tAwj = Amun-Ra, Herr aller Throne der Zwei Länder" steht oberhalb seines Kopfes vor ihm. 

3. Thot geleitet Amun zu der auserwählten Königsmutter, er hat anscheinend vorher als Kundschafter die "Örtlichkeit der Königin ausgemacht" oder sie wohl zu dem von Amun gewünschten Ort ("das Fürstenhaus in Karnak") gebracht
Thot (links, ein Teil des Ibis-Schnabel ist noch gut erkennbar) und Amun bewegen sich beide in Richtung des Bildzyklus. Aufgrund seines höheren Ranges im Pantheon könnte Amun hier als vorangehend dargestellt sein, obwohl Thot der Führer ist. Aber der Künstler könnte sich auch beide nebeneinander gehend vorgestellt haben. Oberhalb von Amun sind noch die Reste seines Namens erkennbar und zwar von der Schreibrichtung auf Thot ausgerichtet - d.h. man muss davon ausgehen, dass Amun seinen Kopf nach "hinten" (zu Thot) gewendet hat. Die Königin selber ist nicht Teil der Darstellung.  

4. Amun "wohnt" der Königsmutter auf einem Löwenbett bei. 

Auf dem Bett mit zwei Löwenköpfen sitzen zwei weibliche Götter oder Genien, die das Paar tragen, über der linken sitzt Amun, in Zyklusrichtung schauend, ihm gegenüber die Königin.

Thot hat das Paar allein gelassen, so dass Amun, der sich der Königin in Gestalt ihres Gatten genähert hat, ungestört (als Gott) offenbaren kann - dies und alles nicht bildlich Dargestellte erläutert die Beischrift.

 

Das Löwenbett ist auch hier das Symbol der Wiedergeburt, da es eine Nachbildung der Himmelsgöttin Nut ist, die alles verschlingt und erneut gebiert. Auf den ersten Blick scheint es sich bei den Stützgöttinnen um Neith  und Selket zu handeln, die beide häufig in der ägyptischen Religion gemeinsam als Schützgottheiten auftreten (z.B. an Sarkophagen oder Kanopenkästen). Das gerade noch erkennbare Schild mit den gekreuzten Pfeilen über dem Kopf der linken Figur könnte sowohl auf Neith als auch auf Hemuset(s) hindeuten. Brunner beschreibt Hemusets als weibliche Genien, Gegenstücke zu den männlichen Kas, die "lebenserschaffende" oder "-erhaltende" Funktionen ausüben. Hier handelt es sich laut der Begleitinschriften um Hemusets. Das Symbol auf dem Kopf des linken Genius deutet wahrscheinlich die "Gabe" an, die sie für das dargestellte Ereignis mitbringt.

5. Amun - in Zyklusrichtung blickend - beauftragt Chnum, einen "besonderen Leib" zu schaffen, da es hier um seine "Tochter" geht.

Zwischen beiden Göttern ein weiterer Restaurierungsvermerk des Ramses II.

 


6. Chnum - in Zyklusrichtung auf einem Thron sitzend - formt das Kind und seinen Ka (auf einem Tischchen stehend), davor kniend die froschköpfige Göttin Heket spendet mit dem Ankh-Zeichen Leben.

Beide Kinder sind eindeutig männlichen Geschlechts (!), tragen keine Kinderlocke (das Häkchen am Kopf sind die Ohren), aber gelbe Armstreifen am Oberarm und über dem Handgelenk. Da der Text jedoch durchgehend von einem Mädchen redet (Benutzung der femininen Form des Ägyptischen) liegt bei der Darstellung wohl ein Fehler des Restaurators (!) vor.

 

Die Szene erinnert an die bekannten Krönungsszenen, bei denen der kniende König auch dem Gott den Rücken zuwendet während ihm dieser von hinten die Krone aufsetzt.

7. Thot verkündet der Königin Ahmose (rechts mit Geierhaube) die Zufriedenheit des Gottes, die sich in entsprechenden Titeln ausdrückt. so heißt u.a. in den Beischriften:

"Die Genossin, die er liebt.", die "Mutter des Königs von Ober- und Unterägypten".

Von dem Kind Hatschepsut ist nicht die Rede, deren Geburt und Name hat Amun selbst schon in der Szene 4 der Königin verkündet!

 

Nach Brunner ist die Armhaltung Thots ein weiterer Hinweis auf eine Vorlage aus dem Alten Reich. Im Bild scheint der linke Arm zur Königin hin erhoben, tatsächlich ist es aber, dem Redegestus entsprechend, der rechte Arm. Der Künstler wollte vermeiden, dass der rechte, der hintere Arm über die Brust läuft. Diese Darstellungsweise ist aber auf das Alte Reich beschränkt, schon ab der 5 Dynastie wenden fortschrittliche Künstler die (richtige) Darstellung an, in der der rechte (hintere) Arm erhoben wird und über die Brust läuft.  

8. Chnum (links) und Heket (rechts) geleiten die Königin, deren Schwangerschaft "zart" angedeutet ist, zur Entbindung.

(aus dieser Abbildung stammt die obige Zeichnung in der Biographie der Hatschepsut von Tyldesley)

 


9a. Ah-mose  kommt auf dem Löwenbett nieder (linker Teil der Szene), dies ist die breiteste und figurenreichste Szene des Zyklus, eingerahmt wird sie von Amun, der links steht (nicht abgebildet) und der Göttin Mesechnet (die, siehe unten, rechts sitzt);
zwischen den beiden Gottheiten spielt sich auf einem langen Löwenbett der Geburtsvorgang ab, wobei die Königin nicht auf einem Gebärstuhl, sondern auf einem Thron dargestellt ist; hinter ihr kniet eine Amme, dahinter stehen 4 Göttinnen (von rechts nach links: Nephthys, Isis, Nedet, Djeret, deren Name jeweils über dem Kopf zu sehen ist);
darunter rechts ein Mann mit Götterbart und drei weitere männliche Gestalten mit Krokodilkopf;

ganz unten: 2x zwei Seelen, die die Geste des hnw-Jubels ausführen

Die Szene mag wegen der zahlreichen Figuren etwas unübersichtlich sein, aber die Bedeutung ist klar: die Geburt findet in Gegenwart zahlreicher guter Genien statt. Interessant ist in der obere Reihe das Auftreten von Nephthys und Isis, und zwar in dieser sonderbaren Reihenfolge. Da die Legende der göttlichen Zeugung keinerlei Verbindung zum Osiris-Mythos hat, vermutet Brunner, dass beide Göttinnen hier lediglich den Aspekt der "Herrin des Hauses" darstellen.

9b. Ah-mose kommt auf dem Löwenbett nieder (rechter Teil der Szene),
die Königin und das gerade geborene Kind sind links oben dargestellt, vor ihr kniet eine Hebamme
darunter, das Bild trennend, zwei HH-Männer (auf dem Kopf tragen sie jeweils ein langes Jahreszeichen), dann folgt nach rechts ein Krokodilgenius, gefolgt von 2 Männern und einer widderköpfigen Gestalt;
in der unteren Reihe ein Schutzsymbol flankiert von 2 Uas-Zeichen, rechts Bes gefolgt von einer Nilpferdgöttin

10. Amun (links) kommt zu Hathor (rechts), um das neugeborene Kind zu sehen und zu begrüßen, wobei er sie ausdrücklich als seine leibliche Tochter und zukünftigen König anerkennt;

11. Amun und Hathor (rechts) sitzen sich gegenüber, wobei Amun das Kind hier zum ersten Male zu sich nimmt und mit der linken Hand hält, um es zu "küssen" und zu "umarmen", da er es "liebgewonnen" hat; 
Hathor wiederholt den Segen des Vaters und segnet es selbst mehrfach;

in Djeser djeseru sind die Szenen 10 und 11 sorgfältig getrennt und haben eine eigene Beischrift;  Brunner vermutet, dass die abweichenden Beischriften zu den Szenen 10 und 11 im Luxor-Tempel falsch platziert wurden - möglicherweise wurde die Vorlage schon nicht mehr richtig verstanden

 


12a. Königsmutter und Ammen betreuen das Kind auf dem Löwenbett (linker Teil der Szene);

Königin Ahmose ist in der Mitte des Bildes zu sehen, hinter ihr sitzt eine Dienerin, die ihr einen Kopfputz aufsetzt, ihr gegenüber sitzen zwei völlig identische weibliche Wesen mit Kuhköpfen, roter Sonnenscheibe und Doppelfeder, die erste stillt die kleine Hatschepsut, d.h. das Kind erhält die Milch göttlicher Wesen!

Der Raum unter dem Löwenbett ist mit "Isisblut"-Zeichen ausgefüllt, unter dem Bett, das auf der Himmelshieroglyphe steht, stehen zwei Himmelskühe, die den Kopf nach hinten wenden. Hier fehlen zwei Kinder, die direkt am Euter trinken - sie sind vom Restaurator einfach weggelassen worden (aber im Luxor-Tempel noch vorhanden).

 

Dass die Szenen 12.a und b zusammengehören, zeigt die große Himmelshieroglyphe, die sowohl die beiden Kühe als auch die unteren vier Genien überdeckt. 

12b. Königsmutter und Ammen betreuen das Kind auf dem Löwenbett (rechter Teil der Szene);
dieser Teil schließt direkt an die obige Szene an, hier wird oben links von dem 2. weiblichen Wesen mit Kuhkopf, Sonnenscheibe und Doppelfeder, der Ka gesäugt;

rechts sitzen in drei Reihen je vier Genien, und zwar immer abwechselnd ein männlicher (mit Bart) und ein weiblicher; sie werden als Kas und Hemusets identifiziert, d.h. als männliche (Kas) und weibliche (Hemusets) Götter der Nahrung und Speisen (s. a. Fußnote

 


13. zwei Gottheiten präsentieren das Kind und seinen Ka drei anonymen, gleich aussehenden Gottheiten in mumienförmiger Wicklung, die wohl die "Götterneunheit" symbolisieren sollen;

die Bezeichnung der linken Gottheiten ist in Djeser djeseru verloren gegangen, der hintere Gott könnte aufgrund des Kopfputzes (Abzeichen eines Milchgefäßes, das in einem Napf steht) als ein "Milchgott" namens "Iat" identifiziert werden (in dem entsprechenden Zyklus des Amenhotep III. im Luxor-Tempel handelt es sich um vorn einen Nilgott und hinten einen Milchgott);

 

Der Zweck der Szene ist klar, die beiden Götter bringen das Kind (und seinen Ka) vor die Götterneunheit, nicht um deren Segen zu erbitten, sondern um dem Rat der Götter zu zeigen, dass Amun seine Ankündigung (aus der 1. Szene) wahrgemacht hat. 

14. Thot (links) bringt das Kind und seinen Ka zu Amun, der beide segnet. Man sieht deutlich noch die Spuren beider Kinder, die bei der Restaurierung der Szene nicht wieder hergestellt wurden. Die vordere Figur - auf der Hand Amuns - ist das Kind, die hintere - auf der Hand Thots - sein Ka. Dies wird auch bestätigt durch die Anordnung der beiden Kartuschen, die des Kindes ist oberhalb seine Kopfes genau unter der Mitte der geflügelten Sonnenscheibe untergebracht, die des Kas über dessen Kopf an einer langen Standarte. 
Der Zweck der Szene ist unklar, da in allen vorliegenden Fassungen des Zyklus unterschiedliche Bilder (z.B. im Luxor-Tempel ist ein anderer, nicht-identifizierter Gott anstelle von Thot dargestellt) mit abweichenden Texten erhalten geblieben sind. Vermutlich handelt es sich um die Verleihung der Königswürde, dafür könnte die über der Szene stehende geflügelte Sonnenscheibe, die seit der Zeit des Alten Reiches (Snofru) belegt ist, sprechen.

15a. Beschneidung
Die Szene ist klar zweigeteilt:
von links (15a) kommt ein widderköpfiger Gott (Chnum) und hinter ihm Anubis, eine Scheibe rollend;
rechts (s. 15b) steht Seschat, hinter ihr ein unbenannter Gott.

Die Mitte (15b) bilden zwei Doppelgruppen übereinander (die untere hat einen eigene gestirnten Himmel über sich), in denen jeweils auf der linken Seite zwei Frauen sitzen, deren erste die zwei Kinder "hochhält", wobei die Kinder oben sitzen, unten dagegen stehen;
rechts vor den Kinder knien auf der oben ein Mann und unten eine Frau.

 


15b. Beschneidung

Naville selber interpretierte diese Darstellung noch als "Die Dauer der Regierung der Hatschepsut wird notiert" (Part II, Text zu Plate LV)

 

Sämtliche Figuren und Inschriften waren zerstört, der Restaurator hat offensichtlich bevorzugt die Götterfiguren wieder hergestellt, deshalb sind die Kinderfiguren nur im zerstörten Umriss erkennbar. Daher war sowohl in der Version in Djeser djeseru als auch im Luxor-Tempel die Bedeutung dieser Szene nicht mehr erkennbar. Brunner weist darauf hin, dass erst die Fassung im Mut-Tempel von Karnak klar machte, dass es sich hier um eine Beschneidungsszene handelt. Die Kinder werden oben hockend, unten stehend vorgeführt, die links knienden Frauen halten die Kinder am Oberschenkel fest. Der Mann vor den Kindern kniet, um die richtige Position für die Operation zu haben. 
Die beiden Gottheiten, die die Szene rechts abschließen, lassen sich klar deuten. Wie Naville in seiner ursprünglichen Interpretation schon vermerkt hat, weisen Seschat und der hinter ihr stehenden unbenannte Gott mit der Palmrippe in der Hand der Königin die Zahl der Regierungsjahre zu.
Die Bedeutung der beiden rechten Götter, Anubis und Chnum, ist dagegen weniger klar. Chnum ist wohl hier in seiner Verbindung zum Lebenshause dabei, er wird im Text auch als "Erster des Lebenhauses" bezeichnet. Über die Scheibe oder Kugel, die Anubis vor sich herrollt ist nichts bekannt (im Luxor-Tempel fehlen die Scheibe oder Kugel völlig).


Nach Altenmüller hat H. Brunner den Geburtsmythos aus dem Neuen Reich auf ein Vorbild aus dem Alten Reich zurückgeführt, wobei Brunner neben Alterskriterien für die bildlichen Darstellungen und für die begleitenden Texte für eine Entstehung vor der 4. Dynastie plädiert. Brunner,1986, nennt u.a. dafür folgende Gründe: 

- die Zeichnungen des Bettes in den Szenen 4 (Zeugung), 9 (Geburt) und 13 (Präsentation des Kindes) gehen offensichtlich auf frühe Darstellungsweisen des Bettes (mit Aufsicht auf die Liegefläche) zurück, die nach der frühen Pyramidenzeit nicht mehr auftauchen

- der Titel "mwt njswt bjtj" ("Mutter des Königs von Ober- und Unterägypten") in der Szene 7 (Verkündung der Geburt) wurde sonst nur im Alten Reich verwendet
(dieser Titel kommt in Deir el-Bahari 2x vor, dann noch einmal in der 19. Dynastie; ansonsten nur im alten Reich, wo ihn mindestens 7 Königinnen bzw. Königsmütter tragen: Ni-maat-hep, Mutter des Djoser; Hetep-heres, Mutter des Chufu; Cha-merer-nebti, Mutter des Men-kau-ra; Chentkaus, Stammutter der 5. Dynastie(?); Iput, Mutter des Pepi I.; Anches-en-Merire, Mutter des Pepi II:, Anches-en-Pepi; Gemahlin des Pepi II (Sohn nicht bekannt)

- die Kas und Habs (s. a. Fußnote) in der Szene 12 (Königsmutter und Ammen betreuen das Kind auf dem Löwenbett) in Luxor tauchen in dieser Zusammenstellung nur noch in den Pyramidentexten auf

- das Fehlen von Hinweisen auf den Osiris-Mythos.


Die Darstellung des Geburtsmythos findet sich ausschließlich auf Tempelwänden (2 Beispiele stammen aus dem Tempel der Hatschepsut und dem des Ramses II.; 2 weitere aus Göttertempeln in Luxor und Karnak). Dies deutet klar darauf hin, dass die "Welt" des Geburtsmythos die Götterwelt ist (worauf sich die Version im Mut-Bezirk von Karnak bezieht, scheint unsicher zu sein, aber zwei getilgte Kartuschen in der Szene 7 deuten auch hier auf Zeugung und Geburt eines Gottkönig hin; in jedem Falle ist es aber die jüngste Version - vermutlich aus der 21. - 22. Dynastie). Die Götterwelt wird jedoch für den Gottkönig erst nach seinem Tode zum Aufenthaltsort, was wiederum zur Feststellung führt, dass der Geburtsmythos nicht für den lebenden König sondern für den Verstorbenen im Jenseits gedacht ist. Dies erklärt auch, warum im Geburtsmythos von der Geburt eines inthronisierten und gekrönten Königs berichtet wird. Das im Bildzyklus dargestellte Ereignis ist die Wiederholung der realen Geburt des Gottkönigs in der jenseitigen Götterwelt.

Somit dient der Mythos von der Geburt des Gottkönigs nicht - auch nicht bei Hatschepsut - der Legitimierung der Herrschaft des Gottkönigs, in dessen Tempel er dargestellt wird. Die - häufig von männlicher Seite - geäußerte Vermutung, Hatschepsut habe diesen Mythos erfunden oder instrumentalisiert, um ihren schwachen Herrschaftsanspruch zu legitimieren, wird nur dann diskussionswürdig, wenn man eine Erklärung findet, welchen "schwachen" Herrschaftsanspruch Amenhotep III. (in Luxor-Tempel) und Ramses II. (im Ramesseum) ihrerseits legitimieren mussten. 

Der Mythos berichtet also ausschließlich über die Wiedergeburt des Gottkönigs im Jenseits und sein Platz ist daher der Totenkult. 

 

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