Senenmut

last update: 03.01.2010

Ramose und Hatnefret


Der Schutt, mit dem der Vorhof von TT71 aufgeschüttet worden war, überdeckte auch das Grab der Eltern von Senenmut, Ramose und Hatnefret. Dieses wurde 1936 bei den Arbeiten an der Terrasse von TT71 von A. Lansing und W. Hayes entdeckt. Verborgen unter der Terrasse von TT71 blieb das Grab bis in die Neuzeit unentdeckt und unberührt. Deshalb hat das Grab nicht nur eine besondere Bedeutung bei der Datierung der Thronbesteigung der Hatschepsut, sondern gehört auch zu den wenigen Gräbern aus der 18. Dynastie, die intakt erhalten geblieben sind (Smith, 1592).

Als erstes wurde vor dem blockierten Grabeingang eine rechteckige Trommel gefunden. Die Trommel, die möglicherweise Eigentum der Hatnefret war, wurde vermutlich bei der Bestattung benutzt, danach "rituell getötet" - man hatte die Bespannung aus rohem Leder zerschlagen - und vor dem Grabeingang abgelegt worden. Anschließend hat man die Einzelteile eines Stuhles (siehe unten) in das Innere der Trommel geworfen. Daneben lag noch der oberer Teil einer Kopfstütze aus Zedernholz.

Rechteckige Trommel (oben) vor dem zugemauerten Grabeingang und unten der restaurierte Stuhl, der in der Trommel lag (Fotos Burton, aus Hayes, BMMA, 1937). Der Stuhl hatte eine gut erhaltene Sitzfläche aus geflochtenen Korb, löwenfüssige Beine, und eine durchbrochene Rückenlehne, in deren Mitte der Gott Bes dargestellt ist, flankiert von Djed-Pfeilern und Ankh-Zeichen.

Das Grab war durch eine Steinplatte verschlossen, die mit rauem weißem Mörtel befestigt und bedeckt war. Nach der Entfernung der Platte kam ein sehr schmaler rechteckiger Durchgang zum Vorschein. Der Durchgang war mit groben Türpfosten aus Kalkstein ausgekleidet und führte in eine kleine, in den Fels gehauene Kammer von 1.3 m Höhe, 2.5 m Tiefe, und 2.9 m Breite.

Blick durch den winzigen Durchgang in das Grab von Ramose und Hatnefret direkt nach der Öffnung (Foto Burton, aus Hayes, BMMA, 1937).

Nach dem Entfernen des Verschlusssteines fiel der Blick der Ausgräber auf einen unbeschrifteten Kanopenschrein (Nr. D in der Zeichnung unten), der auf Schlittenkufen montiert worden war (siehe folgendes Foto; Foto aus Hayes, BMMA, 1937), dahinter und daneben eine Ansammlung von Särgen, die alle mit Leichentüchern bedeckt waren, und Körben. 

Oben der Kanopenschrein der Hatnefret; unter dem Deckel verbargen sich hölzerne, verriegelbare "Türen", die die 4 Kammern des Kanopenschreins bedeckten (Foto unten). In den Kammern fanden sich Kanopengefäße aus Ton, drei waren mit je einem Tondeckel verschlossen, von denen jeder einen Menschkopf trug. Das 4. Gefäß trug einen Deckel mit einem hundeartigen Kopf (Dua-mut-ef). Alle 4 Kanopen waren nicht beschriftet. 


Die folgende Zeichnung (aus Hayes, BMMA, 1937) zeigt, dass das kleine Grab völlig mit Särgen und Grabbeigaben vollgestopft worden war.

Legende:
I - weißer, anthropopoider Sarg des Ramose (ohne Titel auf dem Sarg)
II - schwarzer, anthropopoider Sarg der "Herrin des Hauses, Hatnefret"
II - rechteckiger Sarg 
IV - rechteckiger Sarg 
C - Korb mit Brot, Datteln, Rosinen, 
D - Kanopenschrein der Hatnefret
E - Kasten mit Leinen
F - Kasten mit Leinen
G - Alabastergefäß (unbeschriftet)
H - Korb (Reste von Mumienbinden)
J - Kasten
K - Korb mit Leinentüchern
L - Korb Leinentuch und u.a. drei Silbergefäße
M - Korb Leinen
N - Alabastergefäß, kurze Inschrift (Hieroglyphen) mit dem Namen "Hatschepsut" und frühen königlichen Titeln

Die Positionen der Särge und der Grabbeigaben lässt den Schluss zu, dass
1. alle Bestattungen zur gleichen Zeit stattgefunden hatten;
2. dass die Särge in der Reihenfolge: Ramose, Hatnefret, Sarg III, und schließlich Sarg IV ins Grab gebracht wurden,
3. dass die Grabbeigaben zuletzt ins Grab gebracht worden sind, und
4. dass alle Grabbeigaben vermutlich zur Bestattung der Hatnefret gehörten (da keinerlei Dubletten vorhanden waren).

Der weiß gestrichene, anthropoide Sarg von Ramose war von zweitklassiger Qualität, lediglich etwas aufgewertet durch das Blattgold, mit dem man Gesicht, Hals und Ohren belegt hatte. Dieser Sarg wurde zuerst geöffnet, enthielt jedoch nur noch die auseinandergefallenen Knochen. Die Untersuchung der Knochen ergab, dass Ramose ein kleiner, zierlich gebauter Mann gewesen war, der in fortgeschrittenem Alter verstarb. 
Zwei der Binden, mit denen einst sein Körper bandagiert worden war, trugen eine in Tinte geschriebene Kartusche der Neferu-Ra, Tochter der Hatschepsut und Thutmosis II. Im Sarg und im Grabe fanden sich keine Beigaben, die sich Ramose zuordnen ließen - er hatte offensichtlich nicht nur keinen bedeutenden Titel (i.e. kein bedeutendes Amt) gehabt, er ist allem Anschein nach auch ein "armer" Mann gewesen (siehe Anmerkung des Autors am Ende der Seite).
Von allen Särgen in der Kammer war der von Hatnefret der kostbarste. Der Deckel des mumienförmigen Sarges (siehe unten; aus Hayes, BMMA, 1937) mit den über der Brust gekreuzten Armen, die in jeder Hand eine Papyrusblüte hielten, war sorgfältig gearbeitet und innen und außen schwarz gestrichen. Gesicht und Hals waren mit Goldblatt belegt, die Augen, eingelegt in Ebenholz, waren aus Alabaster und Obsidian. Auch die Inschriftenbänder waren mit Blattgold untergelegt. Vielfarbige Darstellungen der Nephthys und der Isis schmückten zusätzlich die Enden des Sarges.
Insgesamt 8 Leinentücher bzw. -laken umgaben die Mumie der Hatnefret (oben, Mitte), entweder lagen sie ausgebreitet über der Mumie oder sie waren eingerollt rund um die Mumie in den Sarg gestopft und mit den Ecken an dessen Seitenwänden festgesteckt worden. Zwei der Leinentücher trugen in schwarzer Tinte und kursiven Hieroglyphen die Inschrift "Die Gute Göttin, Maat-ka-Ra, geliebt von Amun, sie lebe ewiglich."
Nach dem Entfernen des äußeren Leichentuches (oben, Mitte), auf dem mit schwarzer und roter Tinte die Sprüche 72 und 17 aus dem Totenbuch geschrieben worden waren, kam eine vergoldete Mumienmaske zum Vorschein (oben rechts). Die Maske bestand aus groben Leinentüchern, die innen und außen mit weißem Stuck bestrichen worden waren. Die Augen waren in den Stuck eingelegt und die Maske dann mit Goldblatt belegt worden. Auf der Brust der Mumie lag ein zusammengeschnürtes Bündel  (oben rechts), das zwei Papyrusrollen und eine Lederrolle enthielt. Die Papyrusrollen wurden aufgrund ihres kritischen Zustandes nicht geöffnet, anhand der äußeren Beschriftung wurde die größere Rolle jedoch als Teil des Totenbuch identifiziert, die kleine Rolle ist vermutlich eine Teilausgabe des Amduats. Die Lederrolle wurde in Kairo untersucht und trug Kapitel 100 aus dem Totenbuch.

Außen auf der Mumie, aber verdeckt von der Maske, lag ein in Gold eingefasster Herzskarabäus aus grünem Stein (oben; heute im Metropolitan Museum of Fine Arts, New York). In der Nähe, auf der rechten Schulter, lag ein kleiner (Länge < 12 cm), silberner Taschenspiegel.
Linke Hand und linkes Handgelenk der Hatnefret blinkten im Glanze von Siegelringen und Skarabäen, die in Gold und Silber eingefasst worden waren. Ein feiner blauer Skarabäus, der mit einem Band am Daumen der linken Hand festgebunden worden war, trug den Namen der Hatschepsut zusammen mit dem Titel "Gottesgemahlin" - den Titel, den Hatschepsut als Kronprinzessin und als Königin von Thutmosis II. getragen hatte.
Die Mumie der Hatnefret war gut erhalten. Sie starb als alte Frau, war klein gewachsen, hatte einen zierlichen Knochenbau und war ausgesprochen fett. Ihr eigenes dünnes und graues Haar war durch eine gewaltige Perücke aus Stoff und geflochtenen menschlichen Haaren überdeckt (siehe unten; Foto aus Hayes, BMMA, 1937)

Wie bereits oben erwähnt, haben Hayes und Lansing alle Grabbeigaben der Hatnefret zugeordnet, obwohl kein Gegenstand einen Namen trug. Nach Ansicht der Ausgräber gehörten alle Gegenstände zusammen und nur zur einer Person, da keinerlei Duplikate vorgefunden wurden. Es gab zwar 7 Körbe, 3 Kästen, 3 Alabastergefäße, 7 Tongefäße, 6 Tonschüsseln, aber diese konnten durchaus aus dem Besitz nur einer Person stammen, denn es gab nur einen Kanopenschrein, nur einen Spiegel, nur ein Rasiermesser, nur ein Paar Sandalen, nur ein Kohl-Gefäß mit Stift, nur ein Kissen, nur einen Satz Silbergefäße, und nur eine Perlenhalskette.
Als besonders interessant erwiesen sich mehrere Alabaster- und Tongefäße. Während das Alabastergefäß mit der Bezeichnung G (siehe Plan) unbeschriftet war, trug das Alabastergefäß N den Namen Hatschepsut und ihre frühen Titel als Königin.
Die drei großen Tonamphoren 3, 4, und 6, die entlang der Nordwand des Grabes abgestellt worden waren, trugen große Tonverschlüsse mit ovalen Siegelabdrücken und Tintenbeschriften auf den Seiten. Neun der Siegelabdrucke zeigten den Namen der Hatschepsut und ihre Titel als königliche Gemahlin, aber 4 ihre Titel und ihren Namen als König.
Die Tintenbeschriften auf den Seiten nannten verschiedene Öle als Inhalt der Gefäße, wobei die Inschrift auf dem Gefäß Nr. 4 als Datum die Angabe "Jahr 7 des Thutmosis III." enthielt. Auch das Tongefäß Nr. 5 trug als Datumsangabe das Jahr 7 gefolgt von Angaben für den Monat, den Tag, und den Inhalt des Gefäßes.

Die beiden anderen, auf der linken Seite der Kammer abgestellten, Särge waren von einfacher Bauart - rechteckige Kästen aus Pinienbrettern, mit gewölbten Deckeln und hochgezogenen Wänden an Kopf und Fußenden. Sie waren knapp unter 1.90 m lang und nicht bemalt. 
Die Bestattungen in den Särgen waren so ärmlich wie die Särge selber. In Sarg III waren zwei junge Frauen und 2 kleine Kinder bestattet worden, wobei ein Kind zusammen mit einer der Frauen eingewickelt worden war. Sarg IV enthielt die bandagierten Skelette einer weiteren Frau und eines Säuglings. Die Körper der Verstorbenen waren mit noch weniger Sorgfalt behandelt worden, als der von Ramose, sie waren offensichtlich ohne weitere Behandlung in Leichentücher gewickelt und bandagiert worden. 
Die Grabbeigaben waren wenig aussagekräftig und bestanden mehrheitlich aus Armbänder, deren Perlen aus unterschiedlichen Materialien (Fayence, Glass, Stein, Silber) gefertigt worden waren, sowie Skarabäen, die als Ring getragen wurden. Die Skarabäen waren teilweise von guter Qualität, darunter einer mit Namen und Titel der Hatschepsut als königliche Gemahlin und ein anderer, mit Namen und Titel ihrer Mutter, der "Großen königlichen Gemahlin (des Thutmosis I.), Ahmose". 
Weder die Särge noch die Grabbeigaben enthielten die Namen der Verstorbenen. Daher bleibt nicht nur die Identität der drei Frauen und der drei Kinder sondern auch deren Beziehung zum Haushalt und zur Familie von Senenmut ungeklärt. Die gemeinsame Bestattung, aber auch die Grabbeigaben mit den königlichen Namen, belegen, dass diese Personen Zeitgenossen von Ramose und Hatnefret (und Senenmut) gewesen sind. Es handelt sich also nicht um Nachbestattungen, zumal auch die Lage des Grabes spätere Bestattungen ausgeschlossen hat. 
Ungewöhnlich erscheint, dass so viele Personen einer Familie oder Gruppe etwa zur gleichen Zeit verstorben sind, so dass sie gemeinsam bestattet werden konnten. Gerade die Tatsache, dass das Begräbnis von Ramose im Vergleich zu seiner Gemahlin Hatnefret so ärmlich ausgestattet worden war, spricht zumindest in diesem Falle dafür, dass Ramose schon länger verstorben war und anlässlich der Bestattung der Hatnefret umgebettet wurde.

Anmerkung des Autors:
Hayes sagt in der zitierten Publikation (BMMA, 1937) über Ramose: "... He was therefore a commoner, probably a peasant, for at this time anyone engaged in the learned professions or associated with the state or religious administration could always summon up a title of some sort ...."
In dieser Aussage von Hayes steckt wohl etwas von dem ''American Dream'', aber es erscheint eher unwahrscheinlich, dass die Ramose zu den Kleinbauern gehörte. Vergleicht man die Begräbnisse der Eltern des Senenmut mit anderen aus der gleichen Zeit (z. B. Familie des Neferkhaut, Satnem und Ibentina), dann muss man aufgrund der vergleichbaren Gräber und Beigaben den Schluss ziehen, dass Ramose sicher nicht zu den bedeutenden Figuren im Umfeld des königlichen Hofes gehörten, sondern eher zur unteren Beamten- oder Handwerkerschicht. 


TT71 Datierung TT71 Funde unterhalb von TT71

TT353


Historie Aufstieg und Ende (?) Senenmut

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