Senenmut

last update: 17.02.2008

Aufstieg und Fall (?)

Von Senenmut sind neben den Monumenten TT712 und TT353 außerordentlich viele Inschriften und Denkmäler erhalten. Da dies für eine Privatperson sehr ungewöhnlich ist, muss man daraus den Schluss ziehen, dass hier nicht nur eine zufällige und glückliche Erhaltung der Funde vorliegt, sondern das Herstellung bzw. Aufrichtung zahlreicher Statuen, Abbildungen und Inschriften vor allem mit Billigung - wenn nicht gar mit Förderung - von Hatschepsut erfolgt sind.

Meyer (1982) und - auf diese aufbauend - Dorman (1988) haben versucht, die Denkmäler Senenmuts chronologisch zu ordnen. Wie nicht anders zu erwarten, lässt sich an den Denkmälern und vor allem auch an seinen Titeln (siehe auch Senenmuts Titel), die auf diesen angeben wurden, seine Karriere verfolgen. Die Statuen unter den Denkmälern Senenmuts stammen alle aus der Regierungszeit der Hatschepsut.
Die Mehrzahl seiner Denkmäler sind stets mit dem Namen der Hatschepsut versehen und zeigen die volle Skala ihrer Titel als Königin und Pharao (die Ausnahme bildet eine Statue im Museum Kairo, die nur die Namen von Thutmosis III. und Neferu-Ra trägt).

Von den Denkmälern Senenmuts lassen sich insgesamt nur 4 sicher in die Zeit vor der Aufstieg der Hatschepsut zum Pharao datieren, da diese nur ihre Titel als "Königliche Gemahlin" oder als "Gottesgemahlin" enthalten (u.a. eine Sitzstatue mit Neferu-Ra auf seinem Schoß; links (BM 174), die sich heute neben einer Hockerstatue des Senenmut [BM 1513] im Britischen Museum, London, befindet). Neben den beiden Statuen aus dem Britischen Museum gehören dazu noch ein Graffito in Aswan (Sehel) und ein Schrein des Senenmut in Gebel es Silsila.

Die stark zerstörten Inschriften in seinem Monument, TT71, die Fragmente enthalten, die auf "Beute machen", "Nubien" und "goldenes Armband" hinweisen, geben möglicherweise Auskunft über den Beginn seiner Karriere. Obwohl Senenmut nirgendwo Titel aufführt, die auf eine militärische Funktion hinweisen, wird aus diesen Fragmenten geschlossen, dass Senenmut als junger Mann einen nicht genannten Pharao auf einem Feldzug nach Nubien begleitete und sich dabei so auszeichnete, dass er das erwähnte "goldene Armband" als Belohnung erhielt. Auch die Inschrift einer Stele (heute im Ägyptischen Museum Kairo) berichtet über die Teilnahme an einem Feldzug, der ihm das "Gold der Belohnung" einbrachte. Helck vermutet, das es sich um einen Feldzug unter Amenhotep I. handelt.
Irgendwann hat Senenmut seine militärische Laufbahn jedoch beendet und ist als "Quereinsteiger" in die Verwaltung gewechselt - welche Gründe dafür maßgebend waren, ist unbekannt. Ebenso wissen wir nicht, ob ein solcher Wechsel "problemlos" möglich war, und wenn nicht, wer gegebenenfalls sein Fürsprecher war.

Oben die Blockstatue des Senenmut aus dem Britischen Museum (BM 1513), sie ist die einzige Statue dieses Typs, die Senenmut ohne Neferu-Ra darstellt - allerdings ist seine Stellung als ihr Erzieher neben anderen Titeln erwähnt. Alle anderen, wie die in Berlin oder die unten teilweise abgebildete Blockstatue aus dem Ägyptischen Museum in Kairo zeigen ihn mit der Prinzessin.

Auf einer der beiden Statuen im Britischen Museum führt Senenmut den Titel "Vorsteher der Siegler"  (jmj-ra sDAwt) auf, was dahingehend interpretiert wird, dass er seine Laufbahn im königlichen Schatzamt unter Thutmosis I. begann.
In dem oben erwähnten Opferschrein in Gebel es Silsila, erwähnt er zwei Titel, "Haushofmeister der Gottesgemahlin" und "Haushofmeister der Königstochter".
Bezugnehmend auf eine Analyse zur Entwicklung der Beamtentitel in der 18. Dynastie durch Helck und unter Berücksichtigung, dass Neferu-Ra, die nach diesen Titeln auch in Frage käme, weder abgebildet noch erwähnt wird, geht Meyer (1982) davon aus, dass diese Titel sich auf Hatschepsut beziehen. Das könnte bedeuten, dass das Scheingrab in die Zeit vor ihrer Eheschließung mit Thutmosis II., also in die Regierungszeit von Thutmosis I. zu datieren wäre und somit zu Senenmuts ältesten Baudenkmälern gehören würde. Andererseits gibt es aus dieser Zeit keine weiteren Denkmäler von Senenmut, was diese Datierung ziemlich unwahrscheinlich macht. Meyer vermutet hier einen "Legitimierungsversuch" der Hatschepsut, in dem diese ausdrücklich als Abkömmling von Thutmosis I. bezeichnet wird und zur Legitimation der Stellung einer "Königstochter"  (sAt-nsw tpjt) der Vorrang gegeben wird gegenüber der Stellung einer "Königsgemahlin" (Hmt-nsw). Meyer geht daher von einer Erstellung während ihrer Regentschaft aus. In jedem Falle scheint es die älteste Dokumentation für die Beziehung von Senenmut zu Hatschepsut zu sein.

Dorman (1988) verwirft die Datierung des Schreins in Gebel es-Silislah in die Zeit von Thutmosis I. gleichfalls und verweist darauf, dass im Schrein zweimal ein Herrscher in vollem Ornat und in männlicher Pose dargestellt wurde, der begleitende Text aber auf ein weibliches Geschlecht der dargestellten Person hinweist - das kann dann nur Hatschepsut sein. Da eine derartige Darstellung unmöglich während der Regierungszeit ihres Vaters oder ihres Gatten erfolgt sein kann, datiert Dorman den Schrein seinerseits auf die frühen Regierungsjahre der Hatschepsut/Thutmosis III.


In der Zeit der "Großen Königsgemahlin" Hatschepsut sammelt er weiter (ihr) Vertrauen und Titel, so wird er zum "Aufseher der Breiten Halle" - womit wohl der Audienzsaal gemeint ist - und zum "Aufseher der beiden Kornspeicher des Amun". Zu dieser Zeit entsprach der letztere Titel dem wirtschaftlich wichtigsten Amt im Tempel des Amun, von da an war er einer der einflussreichsten Männer.

Von dem besonderen Vertrauen Hatschepsuts - und sicherlich auch des Thutmosis II. - zeugt seine Stellung als Erzieher der "Königstochter" Neferu-Ra. Zahlreiche "Erzieherstatuen" (wie die oben gezeigte, die links oder die auf der Startseite zu Senenmut) zeigen ihn zusammen mit der Prinzessin, um die er fürsorglich seine Arme oder seinen Mantel legt.

Die "Erzieherstatue" links befindet sich heute in Chicago.


In der Zeit der Regentschaft steigt er zum "Obersten Vermögensverwalter" der Hatschepsut und der Neferu-Ra auf. Als Hatschepsut schließlich zum Pharao aufstieg, wurde seine Machtposition noch durch weitere Ämter vergrößert, denn er erhielt u.a. das Amt des "Vermögensverwalters des Amun". Damit trug er die Verantwortung für den gesamten Besitz des Amun-Tempels in Karnak und aller angeschlossenen Tempel, mit allen seinen Vorräten an Edelmetall und Edelsteinen, Ländereien, Viehherden, und sonstigen Wirtschaftsbetrieben. In diesem Amt zeichnete er auch für zahlreiche Bauaktivitäten der Hatschepsut verantwortlich (die linke Statue, heute im Louvre, E 11057, zeigt Senenmut mit einem Messtrick; die Statue wurde lt. Dorman, 1988, aufgrund von Zerstörungen in der Amarnazeit restauriert, wobei auch das kleine Köpfchen modelliert wurde - es handelt sich folglich nicht um eine Darstellung der Neferu-Ra), so für das Aufstellen der Obelisken im Amun-Tempel von Karnak, für Arbeiten an Djeser djeseru und u.a. auch für die am Tempel von Armant (siehe Historische Daten zu Senenmut). Ob er selber die notwendigen Fähigkeiten eines Architekten hatte, wissen wir nicht. Aber seine Machtmöglichkeiten hätten es ohne Zweifel erlaubt, ihm genehme Architekten auszuwählen. Dies würde auch die Verwendung des gleichen "Maßsystems" im Königsgrab der Hatschepsut (KV20) und in ihrem Tempel in Deir el-Bahari, Djeser djeseru, erklären, was Romer (zitiert nach: Reeves, N., Wilkinson, R. H., "Das Tal der Könige") dazu veranlasste, in beiden Fällen Senenmut als Baumeister anzunehmen.

Neben den oben erwähnten Ämtern, die er sicherlich auch ausgeübt hat, wurden ihm zahlreiche höfische "Titel" - wie der eines "Einzigen Freundes des Pharao" - verliehen, die wohl das außerordentliche Vertrauen Hatschepsuts und die Zugangsberechtigung zu ihren privaten Gemächern anzeigen, aber man darf wohl annehmen, dass solche Titel wie der eines "Oberaufsehers des Badezimmers" oder der des "königlichen Schlafgemaches" nicht mit eigenhändigen Dienstleistungen verbunden waren.

Selbstverständlich ist Senenmut - als Vertrauter und natürlich auch als Inhaber zahlreicher bedeutender Ämter - Ratgeber Pharaos und Mitglied des Thronrates - in dieser Funktion zeigt ihn auch ein Relief in Djeser djeseru bei der Sitzung des Thronrates, bei der die Expedition nach Punt beschlossen wurde.


Über das Ende Senenmuts gibt es mehr Spekulationen als Fakten. Mindestens bis Jahr 16 der Regierungszeit von Hatschepsut/Thutmosis III. ist er in Amt und Würden. Danach verlieren sich anscheinend seine Spuren. Sein unfertiges Monument, TT353, wurde zugemauert, einige seiner Abbildungen darin - und auch in TT71 - wurden zerstört. Hinweise, dass er in TT71 oder TT353 bestattet wurde, liegen nicht vor.

Zu den üblichen Spekulationen gehört die Vermutung, er sei bei Hatschepsut in Ungnade gefallen, wobei mehrere Varianten als "Begründung" herangezogen wurden.


In der ersten Variante wird behauptet, er sei in Ungnade gefallen, weil er sich heimlich ein Grab von fast königlichen Ausmaßen, TT353, das bis unter Djeser djeseru reicht, habe anlegen lassen. Darüber hinaus habe er es "gewagt", natürlich wieder "heimlich", sein Abbild und begleitende Inschriften - hinter Türflügeln versteckt - in Djeser djeseru anbringen zu lassen. 
Insgesamt hat der Tempel der Hatschepsut mehr als 60 Tordurchgänge, wobei jeder Durchgang mit einer Tür oder 2 Türflügeln geschlossen werden konnte. Die Mehrzahl dieser Türen öffnete nach innen, so dass durch den oder die Türflügel ein Teil des Türrahmens verdeckt wurde. Auf fast allen dieser verdeckten Flächen findet man Senenmut, entweder stehend oder kniend dargestellt (siehe Zeichnung rechts; Hayes, 1957), bei der Lobpreisung von Amun (oder Hathor). Bis jetzt wurden praktisch im ganzen Tempel 66 Inschriften Senenmuts identifiziert. Allerdings wurden keine in kleineren Nischen gefunden, entweder hatten die keine Türen oder diese öffneten sich nach außen. Die Tatsache, dass er auch in 4 kleineren Räumen, die sich von nördlichen Portikus auf den Mittleren Hof (Terrasse) hin öffnen, "abwesend" ist, wird damit erklärt, dass diese noch nicht fertig waren, als er in Ungnade fiel. Unbeschädigt haben sich seine Darstellungen lediglich an den Seitenwänden einiger Nischen der Hathor-Kapelle erhalten.

Besonders die Tatsache, dass die Abbildungen und Inschriften Senenmuts so angebracht waren, dass die Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung gering erschien, war ein wesentliches Argument bei der Vermutung, er habe diese "heimlich" anbringen lassen.


Folglich wurde spekuliert, Hatschepsut habe sich dann seiner wegen dieser Missachtung königlicher Privilegien entledigt.
Es ist jedoch kaum glaubhaft, dass er seine kleinen Abbildungen an mehr als 60 Türbogen bzw. Türen in Djeser djeseru ohne Zustimmung Hatschepsut und vor allem ohne Entdeckung hätte anbringen können.
Dieser Variante widersprechen außerdem zwei ziemlich spät entdeckte und stark zerstörte Inschriften beiderseits der Tür in der nordwestlichen Opferhalle in Djeser djeseru. Auf einer Fläche von 165 x 46 cm finden sich die aus jeweils 5 Registern bestehenden Inschriften neben einem Abbild, das Senenmut anbetend zeigt. Unter Angabe diverser Titel Senenmuts verweist der Text ausdrücklich auf die königliche Erlaubnis seinen Namen unter der Gefolgschaft des Pharao an allen Türen und Türöffnungen in Djeser djeseru und allen anderen Ortstempeln der Götter im ganzen Land zu verewigen - und damit zu ehren.
1. Register:
Lobpreis geben für Amun, die Erde küssen für den Götterherrn für Leben, Heil, Gesundheit des Königs von Ober- und Unterägypten, Maat-ka-Ra, sie lebe ewiglich,

2. Register:
durch den Erbprinz (r-pat) and Graf (HAtj-a), den Schtzmeister des Königs von Unterägypten (sDAwtj-bjtj), den Einzigen Freund (smr-watj), dem Vorsteher der Domänen Amuns (mr pr jmn), Senenmut (in der roten Klammer), gemäß der Gunst

3. Register:
des Königs, die für diesen Diener da geschah, in dem man festmachen ließ

4. Register:
seinen Namen auf allen Wänden, im Gefolge des Königs, Esr Dsrw

5. Register:
und in den Tempeln der Götter von Ober- und Unterägypten. So sprach (der König).

Oben Text und Übersetzung der Erlaubnisinschrift aus Djeser djeseru (Hayes, MDAIK 15, 1957). Die Inschrift verweist zwar auch auf die Erlaubnis, in anderen Tempeln ebenfalls Bildnisse anbringen zu dürfen - nachweisen ließen sich bisher jedoch keine.

Die zweite Variante verbindet seinen "Fall" mit dem vermuteten frühen Tode der Neferu-Ra. Diese taucht in TT353 nicht mehr auf, daher wurde eine zeitlang vermutet, sie sei vor dem Jahr 16 verstorben. Senenmut soll dann in der Folge des Todes von Neferu-Ra seinen Einfluss bzw. seine Machtposition verloren haben, was Hatschepsut die Möglichkeit eröffnet habe, sich eines langgedienten Weggefährten zu entledigen, dessen sie inzwischen überdrüssig geworden war.
Aber auch hierzu haben sich keine korrelierenden Befunde ergeben, vielmehr scheint er im Jahr 16 auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt zu sein. Darüber hinaus deuten überarbeitete Steleninschriften darauf hin, dass Neferu-Ra als Hauptgemahlin von Thutmosis III. bis in dessen 22. oder 23. Regierungsjahr gelebt hat.

Die dritten Variante geht ebenfalls von einem frühen Tod der Neferu-Ra aus. Hier wird spekuliert, Senenmut habe in den Jahren nach dem Tode der Neferu-Ra die "Seiten" gewechselt und sei zu einem Gefolgsmann des Thutmosis III. geworden. Mit dem Tode der "Gottesgemahlin" und somit der designierten "Großen Königlichen Gemahlin" des zukünftigen Herrschers Thutmosis III., Neferu-Ra, habe er seinen Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der Politik schwinden gesehen. Hatschepsut, über diesen "Verrat" verärgert, habe sich daraufhin seiner entledigt.

Die Befunde an seinen Monumenten lassen durchaus die Interpretation zu, dass ihre Zerstörung schon unter und mit Wissen oder Absicht von Hatschepsut erfolgt sein könnten. Aber wie immer sind die Belege nicht eindeutig und somit ist ihre Interpretation weiterhin offen. 

Vielleicht ist die Erklärung für Senenmuts Verschwinden nach dem Jahr 16 auch relativ einfach. Wenn er bereits an Feldzügen unter Amenhotep I. teilgenommen und seine Beamtenlaufbahn unter Thutmosis I. begonnen hat, dann war er im Regierungsjahr 16 in einem Alter zwischen 50 und 70 Jahren. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass er sich aus Altersgründen zurückgezogen hat und irgendwann zwischen den Jahren 16 und 19, also einige Jahre vor Hatschepsut verstorben ist. Das TT353 nicht - rechtzeitig vor seinem Tode - fertiggestellt wurde, schließt natürlich eine Bestattung in TT71, welches zumindest  für ein Nebenbegräbnis eingerichtet war, nicht aus - dort wurde zumindest ein Sarkophag, wenn auch keine Mumie, gefunden.

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