Senenmut

last update: 01.01.2010

Datierung von Grab TT353

In allen zurückliegenden Betrachtungen zur Herrschaft der Hatschepsut wird das Jahr 16 wie ein zeitlicher Fixpunkt für weitere Datierungsversuche behandelt. Tatsächlich hängt dieser Fixpunkt an lediglich zwei "Belegen", die zeitlich gleich datiert werden. Nämlich auf:

1. einer lang bekannten Inschrift in Karnak, auf der Basis des nördlichen Obelisken zwischen dem 4. und dem 5. Pylon, die besagt, dass das zweite Obeliskenpaar der Hatschepsut im Jahr 16 aufgestellt wurde, und

2. auf einem Ostrakon aus dem Jahr 16, das Winlock 1926 in Deir el-Bahari, im sogenannten "Steinbruch des Senenmut" gefunden hat.


Auf Basis dieses Ostrakons zog Wínlock drei bedeutende historische Folgerungen:

A - die Arbeiten am Grab TT353 des Senenmut begannen im Jahr 16;

B - die Prinzessin Neferu-Ra starb im Jahr 16 (oder davor), denn im Gegensatz zu TT71 - wurde sie in TT353 - und offensichtlich auch sonst später - nicht mehr erwähnt;

C - die Dekoration der unteren Pfeilerhallen (Obelisken- und Jagdhalle) in Djeser djeseru hatte im Jahr 16 gerade begonnen (da hier der Transport und das Aufstellen der oben erwähnten Obelisken dargestellt wird).

Ostrakon Jahr 16

Der Eingang zu TT353 liegt am westlichen Ende des "Steinbruch des Senenmut", aus dem beim Bau von Djeser djeseru das Material für den Prozessionsweg zum Tempel gebrochen wurde. Das dabei entstandene Loch erstreckt sich etwa 300 m neben dem Prozessionsweg zu Djeser djeseru (s.a. Lageplan auf der Seite "Senenmuts Gräber"). TT353 war durch 5 Gründungsdepots markiert, drei fanden sich oben am Rand des Steinbruchs, zwei unten im Boden. In diesen Gründungsdepots wurden u.a. Modelmuscheln gefunden, davon 2 beschriftet mit "Der Gute Gott, Maat-ka-Ra, dem Leben gegeben sei, geliebt von Month, Herr von Iuni (Armant)" bzw. "Der Gute Gott, Maat-ka-Ra, dem Leben gegeben sei, geliebt von Month, Herr von Theben, Stier von Iuni (Armant)". Im Gründungsdepot Nr. 4 wurde eine Modelschale aus Alabaster mit der Inschrift "Feldervorsteher des Amun, Senenmut, geehrt von Osiris" gefunden.

Als Winlock 1926 beschloss, den Steinbruch zu untersuchen, wurde das Zentrum von einem großen Schutthaufen beherrscht, den Naville während seiner "Ausgrabungen" im Tempel der Hatschepsut in den Jahren 1893 - 1899 anlegen ließ. Auf diesem Schutthaufen hatte später das Unternehmen Thomas Cook und Söhne auch noch ein Rasthaus für Touristen errichtet ("Cook´s Rasthaus").
Winlock setzte zwei Arbeitsgruppen ein, die erste begann mit den "Aufräumarbeiten" außerhalb des Tempelvorhofes von Djeser djeseru und bewegte sich ostwärts auf den Steinbruch zu, die zweite begann im Steinbruch nahe Cook´s Rasthaus und arbeitete in Richtung westwärts auf den Eingang von TT353 zu.
Eine Woche nach Beginn der Arbeiten berichtete Winlock, dass die 2. Gruppe westlich von Cook´s Rasthaus auf einen Haufen von antiken Ziegelsteinen gestoßen war, in denen sich zwei Gehaltslisten von Senenmut fanden, auf denen bei drei von vier Arbeitern die Namen abgehakt worden waren. Der gewaltige Stapel von Ziegeln stammte von einem Tempel des Amenhotep I., der teilweise abgebaut wurde, als in der 2. Bauphase unter Hatschepsut ihr Tempel, Djeser deseru, um die unteren Pfeilerhallen und die 1. Rampe erweitert wurde. Ein Teil der Ziegel, die mit den Namen des Amenhotep I. und der Ah-mose-Nefertari gestempelt waren, verblieben in der Rampe.
Wieder etwa eine Woche später berichtete er, dass am Fuße des Felsens ein Gründungsdepot gefunden worden war, dass auf ein nahegelegenes Grab aus der 18. Dynastie hindeutete. In diesem Bericht erwähnt er zum ersten Male das Ostrakon aus dem Jahr 16, dass zwischen den Ziegeln gefunden worden war (Winlock schreibt "....intimately mixed with the bricks")!

Die Berichte über die Ausgrabungen von 1926 selber wurden erst 1928 verfasst - ein Jahr nach Ende der Grabungen.


Das Ostrakon aus dem Jahr 16, 1. Monat des Achet ("Überschwemmung"), Tag 8, listet eine Anzahl von Arbeitern auf, die in zwei Gruppen unterteilt waren, jeweils geleitet von einem Vorarbeiter. Sobald die Arbeiter zur Arbeit erschienen, wurden ihre Namen durchgestrichen. Der Text auf dem Ostrakon wurde ergänzt, da einen Tag später weitere Arbeiter eintrafen. Ob diese Arbeiter allerdings an TT353 beschäftigt waren, geht aus den Angaben nicht hervor, denn das Grab wird nicht erwähnt!
Die Zuordnung der Arbeiterkolonnen zu TT353 erfolgte durch Hayes (zitiert nach Dorman, 1988) lediglich aufgrund der Nähe des Fundortes zum Grab. Aus der Beschreibung auf dem Ostrakon, dass neue Arbeitsgruppen gebildet wurden und auch noch frische Arbeitskräfte hinzukamen, hat Hayes weiterhin geschlossen, dass sich der Text auf den Beginn der Arbeiten an TT353 bezieht.
Dorman (1988) weist hier mit Recht darauf hin, dass dieser Annahme die beiden im Steinbruch gefunden "Gründungsdepots" zu TT353 widersprechen, die unterhalb der hier gelagerten Ziegel gefunden wurden, das könnte darauf hindeuten, dass die Arbeiten an TT353 schon einige Zeit vorher begonnen haben könnten. Dies wird nach Dorman auch belegt durch einen Vergleich der datierten Korrespondenz von Winlock mit undatierten Fotografien der Ausgrabungsstelle, die Burton gemacht hatte. Diese zeigen, dass das Ostrakon vor - d.h. in Schichten über - dem Gründungsdepot gefunden wurde. Darüber hinaus lag über dem Gründungdepot zuerst Bruchmaterial aus dem Grabe TT353, darüber Bruchmaterial vom Prozessionsweg nach Djeser djeseru, erst dann folgten obenauf die Ziegel vom Tempel des Amenhotep I.

Die Untersuchungen der polnischen Ägyptologen haben zwar bestätigt, dass der Bau der 1. Rampe - und damit der Abbruch des Tempels von Amenhotep I. - in der letzten Ausbauphase von Djeser djeseru erfolgte. Aufgrund der stratigrafischen Reihenfolge von Gründungsdepot und Ostrakon aus dem Jahr 16 kann nach Dorman aber nicht geschlossen werden, dass der Baubeginn von TT353 gleichzeitig mit dem Abbruch des Ziegeltempels von Amenhotep I. erfolgt ist. Dorman geht vielmehr davon aus, dass der Baubeginn von TT353 um einige Jahre früher zu datieren ist.

Damit kann aufgrund der Fundlage in und um TT353 nicht mehr sicher auf ein Ableben der Neferu-Ra zwischen dem Jahr 11 (da ist sie noch auf einer Stele belegt) und dem Jahr 16 geschlossen werden (da sie nicht mehr in TT353 erwähnt wird). Dorman (loc. cit.) hält es daher sogar für möglich, dass Neferu-Ra ihre Mutter Hatschepsut überlebt hat und die erste "Große Königliche Gemahlin" des Thutmosis III. und Mutter seines Erben wurde.

Wenn man der Argumentation von Dorman folgt, dann steht offensichtlich die Datierung des Baubeginns von TT353 und alle daraus abgeleiteten historischen "Datierungen" - zumindest was das Ostrakon aus dem Jahr 16 betrifft - auf "tönernen" Füßen.


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Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)