Karnak-Tempel

last update: 05.06.2007
 

Ost-Seite

 

Grundriss von Ip.t-Sw.t, "Auserwählter Ort", heute Karnak-Tempel (aus: Carlotti, 2001 ) in der frühen 18. Dynastie;
- mit den Kammern der Hatschepsut;
- den von ihr errichteten Obelisken (Blau: das 1. Paar auf der Ostseite des Tempels, Gelb, das 2. Paar zwischen dem 4. und 5. Pylon);
- Grün: die beiden Obelisken von Thutmosis I. vor dem 4. Pylon
- und schwarz das "Akh menu" Thutmosis III.

Die Startseite zu Karnak berichtet hauptsächlich über Umbauten und Erweiterungen des Tempelanlage nach Westen. Unklar ist der Ablauf der Bautätigkeiten auf der Ostseite der zentralen Kultbauten aus dem Mittleren Reich (MR). Anders ausgedrückt, hat Thutmosis III. sein "Akh-menu" auf jungfräulichen Boden erbaut oder gab es eventuell Vorgängerbauten, die er abgerissen hat?

Schon Varille berichtet 1950 (in ASAE 50) darüber, dass sich ein Architrav von Thutmosis II. und einen Block von Thutmosis III. in der hinteren Lage des Fundaments unter der Basis des südlichen Obelisken befinden. Beide Blöcke wurden auf dem Kopf stehend verbaut.
Er vermutete, dass eine Demontage der Basen der beiden Obelisken weitere beschriftete Blocke aus den Fundamenten an Tageslicht holen würde, die dort vermutlich Hatschepsut verbaut habe.
Möglicherweise ist die aktuelle Lage der Blöcke auch eine Folge ramessidischer Restaurationen, die zumindest an einem Obeliskenbruchstück durch Reste eines typischen Restaurierungsvermerks belegt sind. Allerdings könnte sich der Vermerk auch lediglich auch die Wiederherstellung der Darstellungen Amuns beziehen.
Allerdings ist immer noch unklar, von welchem Bauwerk diese Blöcke stammen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Publikation von Carlotti zum Akh-menu (Carlotti, J.-F., L'Akh-menou de Thoutmosis III à Karnak. CFEETK, Paris 2001), die anhand von sekundär im Akh-menu oder in benachbarten Monumenten verbauten Gebäudeteilen diese Frage diskutiert. Nach dieser Arbeit lassen einige Befunde die Existenz eines Vorläuferbaus an der Stelle des Akh-menu oder in der näheren Umgebung vermuten.
Zu diesen wiederverwendeten Gebäudeteilen gehören:
- 5 Architrave, von denen 2 den Namen der Hatschepsut tragen, wurden als Bodenplatten im axialen Sanktuar verwendet;
- ein Kalksteinblock mit der Kartusche der Hatschepsut wurde im Fundament des axialen Sanktuars verbaut;
- ein Block mit Hohlkehle und Rundstab wurde als Deckplatte der nördlichen Totenkultkapelle verwendet;
- 2 Blöcke, ein Architrav mit dem Namen Thutmosis II. und ein Block mit dem Namen Thutmosis III. (siehe folgende Fotos), wurden in der Basis des südlichen der beiden Ost-Obelisken der Hatschepsut verbaut.

Oben die Basis des südlichen Obelisken mit dem Block von Thutmosis III. (siehe Pfeil). Die Kartusche von Thutmosis III. (Foto unten) ist rechts neben der schwarzen Plastiktüte zu sehen.


 

Neben der Entdeckung wiederverwendeter Bauteile gibt es noch weitere Hinweise auf einen Vorgängerbau.
Zu den baugeschichtlichen Hinweisen gehören die beiden Ost-Obelisken der Hatschepsut selbst, denn Obelisken wurden generell vor dem Eingang eines Tempels aufgestellt.
Der Tempel aus dem MR und das Akh-menu besaßen aber beide nach den aktuellen Kenntnissen auf der Ostseite keinen Eingang, denn sie bildeten jeweils den östlichen Abschluss der Tempelanlage und umschlossen das Allerheiligste. Die Rückseite der Tempel mit dem Sanktuar war aber geschlossen.
Das wiederum lässt vermuten, dass die beiden Ost-Obelisken der Hatschepsut bei ihrer Errichtung Bezug zu einem anderen Gebäude gehabt hatten, das östlich des MR-Tempels an der Stelle gestanden und einen Eingang auf der Ostseite hatte. An der Stelle dieses Gebäude ließ dann Thutmosis III. später sein Akh-menu errichten.
Der Abriss eines Vorgängerbaues und die Errichtung des Akh-menu an der gleichen Stelle würden weiterhin zwanglos die Errichtung der Kapelle Thutmosis III., mit der Doppelstatue des Königs und Amun genau auf der West-Ost-Achse des Tempels, zwischen den beiden Ost-Obelisken erklären. Diese kleine Kapelle zwischen den beiden Obelisken gibt diesen ihre Funktion zurück - den Eingang zu flankieren!

Ein weiterer baugeschichtlicher Hinweis ist ein Areal aus ungebrannten Ziegeln, die im Fundament des "@rt-jb" (d.h. unter der großen Säulenhalle des Akh-menu) zwischen den beiden nördlichen Säulen wiedergefunden worden. Dieser Bereich kann als Überrest eines alten Baues identifiziert werden, der vom Ende der 2. Zwischenzeit oder vom Beginn des Neuen Reiches datiert.

Der Text einer Stele von Thutmosis III., wiedergefunden im Nordhof des 6. Pylon, erwähnt die Errichtung eines Monumentes im Osten des Tempels Ipet-sut, in dem Barguet das Akh-menu wieder zu erkennen glaubt. Dieser Text bestätigt, dass das Monument auf einem Boden eingerichtet worden ist, der mit Sandsteinblöcken erhöht wurde, um, so scheint es, Überschwemmungen zu vermeiden, dass Thutmosis aber kein Monument eines anderen Königs zerstört hat, um es zu bauen, aber der Bereich geschliffen werden musste.
Dieser Text scheint die archäologischen Daten zu bestätigen. Jedoch, selbst wenn das Akh-menu nicht auf dem Boden eines anderen alten Tempels errichtet worden ist, könnten in der unmittelbaren Umgebung andere Bauten bestanden haben.

Die verschiedenen Hinweise, die erlauben, die Existenz eines oder mehrerer Vorgängerbauten des Akh-menu anzunehmen, sind also:
- Überreste von Ziegelmauern, die unter dem @rt-jb des Akh-menu gefunden wurden;

- Überreste eines Gebäudes, das vermutlich in die Zeit der Koregentschaft der Hatschepsut-Thutmosis III. zu datieren ist, auf das die wenigen Blöcke hinweisen, die im Akh-menu und im Fundament der östlichen Obelisken wiederverwendet wurden.


Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)