Sat-Ra (Sit-Ra)

last update: 27.12.2010

Historische Daten

Name Titel   Herkunft Grabanlage
Sat-Ra (genannt In.t)
%At-Ra
große Amme der Königin, Herrin der Beiden Länder (mna.t wr.t Sdj.t nb.t-tAwj)   unbekannt KV60
Eltern        
Vater:  unbekannt      
Mutter:  unbekannt      
Brüder:        
  keine bekannt      
Schwestern:        
  keine bekannt      


Grundriss und Längsaufriss von KV60, dass vermutlich das Grab der Sat-Ra (Sit-Ra), der Amme der Hatschepsut, ist. Das kleine Grab ist undekoriert und beginnt mit einer Treppe (A), gefolgt von einem Gang (B) mit zwei Nischen am Anfang und einer Seitenkammer (Ba) und abschließend einer grob gehauenen Grabkammer (J).
Die Gesamtlänge beträgt nach Kent Weeks, Atlas of the Valley of Kings (Blatt 68),  ca. 17 m, Carter gibt ungefähr 10 m an, Ryan gibt die Länge des Korridors B mit 8 m an.

KV60 wurde 1903 von Carter entdeckt, als dieser noch für Davies arbeitete. Carter stieß auf das Grab als er den Eingangsweg zu KV19 (Montuherkhopshef) frei räumte. In der Grabkammer entdeckte Carter mumifizierte Gänse, Reste eines Opfermahls, und die Mumien von 2 älteren Frauen, eine davon lag in dem Unterteil eines beschrifteten Sarges, die andere lag auf dem Boden. Die Inschrift auf dem Sargunterteil gab Carter den Namen und den Titel der Großen Königlichen Amme (mna.t wr.t) In: Diese wurde später als die Amme der Hatschepsut, Sat-Ra (Dorman, 1993) identifiziert, die aus anderen Quellen bekannt war. Darüber hinaus fand er einige mumifizierte Gänse.
Carter fand das Grab uninteressant, entnahm nur die mumifizierten Gänse und verschloss es wieder. In den Annales du Service des Antiquités de L'Égypte (Carter, H., Report of Work done in Upper Egypt (1902 - 1903), ASAE 4, 1903, p. 171-180) findet sich nur ein entsprechend kurzer Bericht zu diesem Grab auf den Seiten 176-177.
Wenige Jahre später, 1906, öffnete Ayrton das Grab erneut. Vermutlich ließ er den Sarg dann 1908 mit der darin liegenden Mumie ins Museum 1908 nach Kairo bringen, aber es fehlen jegliche Belege dazu. Die Mumie selber wurde zuerst 1916 im Museum registriert. Die zweite Mumie blieb im Grab, dass Ayrton wieder verschloss.

1989 begann Donald P Ryan mit der Suche nach dem inzwischen vergessenen Grab. Innerhalb kürzester Zeit entdeckte er den Eingang, der im modernen Weg zu KV19 liegt.
Grundriss und Lage des Grabes passen in die erste Hälfte der 18. Dynastie (vergleiche: Grundriss des Felsgrabes der Hatschepsut). Das Grab wurde am hinteren Teil einer Wasserrinne in den Fels gegraben.

Foto: Donald P. Ryan

Eine Reihe von steilen Treppen führten nach unten zum Zugang (siehe folgendes Photo von Ryans Webseite). Er säuberte die Treppe, öffnete den Eingang, der mit großen Steinen verschlossen war, und begann mit neuen Untersuchungen. Im Schutt des Abstiegs fand er diverse kleinere Objekte, darunter Mumienbinden, Fayence-Perlen, und das Kupferblatt eine doppelschneidigen Axt.
Direkt hinter dem Eingang finden sich auf beiden Seiten des Korridors unbearbeitete Nischen, in denen man Reste der Begräbnisausstattung (Mumienbinden, Tonwaren, Lampen, etc.) fand, darunter hölzerne Frontteile des Sarges, die bereits im Altertum abgeschlagenen worden waren, um die Goldauflage zu entfernen.
Auch der Boden des Korridors war mit Trümmern der Grabausstattung übersät, was wohl darauf hindeutet, dass das Grab in der Antike geplündert worden und die Zerstörungsarbeit vor allem im Gang durchgeführt worden ist.
Bei seinen Untersuchungen fand er nach der Hälfte des Ganges die Seitenkammer (Ba), die weder von Carter noch von Ayrton erwähnt worden war. Auf der Schwelle zur Seitenkammer lag das ausgewickelte Seitenstück eines Rindes, in der Kammer ein mumifiziertes Bein. In der Kammer lagen die Binden, die die Stücke einst umgeben hatten.
In der Grabkammer, ca. 5.5x6.5 m und ca. 2 m hoch, lagen die Überreste einer Bestattung von hoher Qualität. Pakete mit vermutlich mumifizierten Gänsen und Speiseopfern lagen gegenüber dem Eingang. Das große, runde Fragment eines Sarges stand an einer der Wände, ebenso ein Keramiktopf mit einem separaten Keramikeinsatz mit unbekannten Rückständen.
 
Nahe dem  Zentrum der Grabkammer lag, direkt mit dem  Rücken auf dem Boden, die ausgewickelte, gut erhaltene Mumie einer Frau, die ca. 155 cm gewesen groß war. Ihr rot-blondes Haar lag neben dem jetzt kahlen Schädel. Der rechte Arm lag ausgestreckt neben dem Körper, der linke war wie bei den Königinnen der 18. Dynastie am Ellenbogen zur Brust hin abgewinkelt. Die Fingernägel der geballten linken Hand waren rot bemalt und von schwarzen Linien umzeichnet.
Eine grobe anatomische Untersuchung der Mumie ergab, dass die Dame am Ende ihres Lebens recht fett gewesen war. Die Zähne waren deutlich abgenutzt, woraus man auf ein fortgeschrittenes Alter schließen kann.
Ryan ließ für die unbekannte Dame einen Holzsarg herstellen, um die Mumie vor Schaden zu bewahren. Untersuchungen zu dieser Mumie stehen immer noch aus. Inzwischen ist aber auch diese Mumie im ägyptischen Museum in Kairo.

Ryan säuberte das Grab vollständig und ließ alle gefundene Objekte verpackt im Grabe.
 
Unter den vielen kleinen Fragmenten fand Ryan auch noch 4 Siegel verteilt im Grab, eines war unbeschriftet, zwei trugen den Abdruck der königlichen Nekropole (ein sitzender Anubis über 9 Gefangenen), das vierte zeigte eine kniende Gestalt vor einem Geier.
Bei der Bearbeitung der Fragmente während der Grabungssaison 2007 fiel das mit schwarzem Harz bedeckte Kopfende eines Holzsarges auf. An einer Stelle war das Harz abgesprungen und entblößte ein Schriftzeichen. Die anschließende Reinigung legte eine Darstellung der Göttin Nephthys frei, die mit erhobenen Armen auf einem geflochtenen Korb steht. Die Gestalt der Göttin ist umgeben von einer Begräbnisinschrift, die den Namen einer bis dahin unbekannten Tempelsängerin nannte: Ty (Ryan, 2010).

Da beschriftete Objekte fast vollständig fehlten, ist die Datierung des Grabes ein Problem.
Unter den gefunden Keramikfragmenten war - laut Reeves und Wilkinson (1997) - kein Stück, dass sich auf eine Zeit vor der 20. Dynastie datieren ließ. Möglicherweise war das Grab in der Zeit davor vergessen worden und wurde bei den Arbeiten an KV19 wiederentdeckt. Es könnte in der Zeit geöffnet und und als Lager, aber auch beraubt worden sein.
Dieser Aussage widerspricht ein kurzer Artikel auf der Internetseite des Oriental Instituts der Universität Chicago. Dort wird berichtet, dass im Herbst 1995 E.F. Wente auf Anfrage von Ryan beschriftete Objekte begutachtet hat, die Ryan bei seiner Ausgrabung in KV60 gefunden hat. Darunter war ein hieratischer Vermerk auf einem zerstörten Gefäß. Die Inschrift gibt darüber Auskunft, dass das Gefäß einst Olivenöl, gespendet vom Aufseher der Kornspeicher, Minmose, enthielt.
Dieser Minmose ist im Tempel der Hatschepsut in Deir el-Bahari als Teilnehmer beim Transport der Obelisken erwähnt, womit sich KV60 in die Zeit der Hatschepsut datieren lässt.

Über Sat-Ra selber ist wenig bekannt. Ganz offensichtlich war ihre Position am Hofe und während der Entwicklung der Hatschepsut jedoch bedeutend, denn:
- Sat-Ra erhielt als erste Privatperson ein Grab im Tal der Könige (ob das allerdings von Bedeutung ist, ist fraglich, da die Nutzung des Tales als Ort für königliche Gräber gerade erst begonnen hatte),
- weiterhin ließ Hatschepsut posthum (?) für sie eine "Erzieherstatue" anfertigen, die vermutlich im Tempelbezirk von Deir el-Bahari aufgestellt worden war (heute in Kairo, JdE 56264, Sandstein, H. 158 cm, B. 48 cm, T. 63 cm (nicht vollständig); Foto aus Winlock, The Museum's Excavation at Thebes, BMMA 27, No. 3, Part 2, 1932, Fig. 6).
Trümmer dieser links abgebildeten Statue wurden von H. E. Winlock (1942) bei seinem Ausgrabungen in Deir el-Bahari (1911-1931) in einem Versteck zusammen mit zerstörten Statuen der Hatschepsut gefunden. Sie zeigte eine sitzende Sat-Ra, die eine kleine Hatschepsut hält. Die Füße der Königin ruhen auf einem kleinen Sockel, mit den Neun-Bögen unter den Sandalen der Königin, und dem Emblem der Reichseinigung auf der Front des Sockels.


Winlock (in: BMMA 27, No. 3, Part 2, 1932, S. 10) hält eine Aufstellung in der Kapelle der Hathor oder in der sogenannten Geburtshalle (Südflügel des 2. Portikus) für möglich.

Wenn eine Aufstellung in der Hathor-Kapelle zutrifft, ergibt sich daraus eine interessanter kultischer Bezug zur Hathor(-kuh), die mehrfach dargestellt ist, wie sie die Königin säugt. Eine derartige posthume kultische Ehrung deutet sicherlich darauf hin, dass die Ammen/Erzieher im Umkreis der Königin eine prominente Rolle spielten. 
Die Statue ist an diversen Stellen mit einzeiligen und vertikal verlaufenden Inschriften versehen:
- auf der rechten Vorderseite und der Seitenfläche des Blocksitzes (linksläufig)
- auf der linken Vorderseite und der Seitenfläche des Blocksitzes (rechtsläufig)
- auf der linken äußeren Sitzflache (rechtsläufig)
Im Museum in Wien (Porter&Moss, Bd. II, S. 371) gibt es ein Ostrakon aus Kalkstein, Inv.-Nr. 1018, mit einem vollständigen Textentwurf der Inschriften auf der Statue.


Die Inschrift (oben) ist eine Opferformel mit königlichem Stiftungsvermerk (von Maat-ka-Ra) und gibt Titel und Namen des Statueninhabers wieder (Sat-Ra).
Mit Hilfe des Ostrakons rekonstruierte Winlock (loc. cit.) den Text auf der Statue wie folgt:
Mögen der König Maat-Ka-Ra und Osiris, der Erste der Westlichen, der [Große Gott] Herr von Abydos, so gütig sein und ein Totenopfer [aus Kuchen und Bier, Fleisch und Geflügel and 1000 aller] guten und reinen Dinge geben, und den süßen Atem des Nordwindes für den Ka der [Obersten Amme, die die Herrin der Beiden Länder gesäugt hat, Sat-Ra, genannt In, gerechtfertigt].


Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)