Neferkhaut

last update: 03.01.2010

Historische Daten

Name Titel   Herkunft Grabanlage
Neferkhaut Schreiber, Chefsekretär der Kronprinzessin Hatschepsut     MMA729, in der Nähe des Taltempels der Hatschepsut gelegen
Gemahlin: Ren-nefer Herrin des Hauses     MMA729
         
Söhne:        
Bekamun       MMA729
Amenemhat Schreiber     MMA729
         
Töchter:        
Ruyu Herrin des Hauses     MMA729
Porter&Moss, I-2, S. 621

Grundriss des Grabes von Neferkhaut und seiner Familie und Lage der Objekte im Grab (Zeichnung: Hayes, BMMA, 1935). Das Grab besteht aus einem vertikalen Schacht und vier Grabkammern. In der linken, westlichen, waren Neferkhaut und seine Gemahlin, Ren-nefer, beigesetzt worden, in der rechten, östlichen, seine Söhne Bekamun und Amenemhat, sowie die Tochter Ruyu. Die Durchgänge zu den Grabkammern waren mit Mauern aus Nilschlammziegeln blockiert.

Das Grab wurde von der Expedition des Metropolitan Museums of Art (M.M.A.), New York, unter Leitung von Winlock während des Winters 1915-1916 entdeckt. In dieser Grabungsperiode ließ Winlock eine Reihe von Gräbern im Friedhofsareal 700 untersuchen. Dieses Areal liegt am Ende der Prozessionswege zu den Tempel der Hatschepsut und des Thutmosis III., in Deir el-Bahari, etwas nördlich von Prozessionsweg von Thutmosis III. und westlich vom Taltempel der Hatschepsut. Das Grab und die Funde darin wurden später von Hayes publiziert (Hayes, BMMA, 1935).

Neferkhaut und die Mitglieder seiner Familie gehörten sicherlich nicht zu den wichtigen Personen am thebanischen Königshof, aber die Familie lässt sich in die Zeit von Thutmosis I. bis Thutmosis III. datieren und ihre Grabanlage gehört zu den wenigen, die weitgehend "intakt" bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind (Smith, 1992).

Das Grab besteht aus einem tiefen rechtwinkligen Schacht, der entlang einer Ost-West-Achse ausgerichtet wurde. Auf der westlichen (linken) Seite des Schachts liegen dicht nebeneinander 2 kleinere Grabkammern. Auf der östlichen (rechten) Seite liegt direkt neben dem Schacht eine größere Kammer und weiter östlich, etwas tiefer gelegen, eine 4. Kammer.
Das Grab wurde direkt in den felsigen Wüstenboden gegraben, nicht weit vom Fruchtland und vom Taltempel der Hatschepsut entfernt. Die Kammern wurden offensichtlich nicht gleichzeitig aus dem Fels gehauen, sondern schrittweise ergänzt wenn ein Familienmitglied starb (zeitliche Reihenfolge: Schacht, die beiden westlichen Kammern, die untere östliche Kammer, und zuletzt die etwas höher gelegene östliche Kammer. Die Zugänge der Kammern zum Schacht waren mit Nilschlammziegeln blockiert. Spuren an der Mauer zu den östlichen Kammern zeigen deutlich, dass sie mehrmals abgerissen und wieder aufgebaut worden war.

Später wurde ein weiterer Schacht in den Boden der oberen östlichen Kammer gegraben, der auf der nördlichen Seite der unteren östlichen Kammern niederging. Durch diesen Schacht gelangten 5 weitere, ärmliche Bestattungen in die untere östliche Kammer, vermutlich ärmere Verwandte oder Diener der Familie.

Danach wurden die östlichen Kammern endgültig verschlossen und der Schacht mit Steinbrocken verfüllt. Dies erfolgte wahrscheinlich kurz bevor Thutmosis III. seinen Prozessionsweg bauen ließ, denn der Prozessionsweg "rasierte" einen Teil des Schachtes ab und legte fast die obere Kammer frei. Später baute Ramses IV. hier seinen Totentempel, so dass das Grab durch die Überbauung geschützt wurde.

In der äußeren westlichen Kammer befand sich der anthropoide Sarg (Nr. 1 im obigen Plan) des Neferkhaut, "Archivar, Hauptfinanzverwalter und Hüter der Dokumente im Haus der Gottesgemahlin, Hatschepsut". In der benachbarten inneren Kammer lag der Sarkophag der "Herrin des Hauses", Ren-nefer (2).
In der unteren östlichen Kammer befand sich die 2. Generation der Familie: ein hochgewachsener, kraftvoller Mann, sein Sohn oder Schwiegersohn namens Bekamun (3), genannt Boki, eine ältere Dame namens Ruyu (4), die ebenfalls den Titel "Herrin des Hauses" trug und wahrscheinlich das älteste Kind von Neferkhaut und Ren-nefer war, und ein kräftiger Mann mittleren Alters, der "Schreiber" Amenemhat, der wahrscheinlich der Sohn der beiden war (5).

Daneben befanden sich die Särge von 5 weiteren, namenlosen Personen im östlichen Teil des Grabes:
ein Mädchen, ein Jahr oder etwas älter (6), ein etwa 6 Jahre alter Junge (7), eine erwachsene Frau in einem geliehenen Sarg (8), ein Säugling (9), jünger als 6 Monate, und ein Knabe (10), etwa 10 Jahre alt.
Die Bestattungen 6 - 10 waren ziemlich planlos angeordnet  und die Grabbeigaben dürftig. Die Körper lagen fast alle flach auf dem Rücken mit den Köpfen entweder nach Norden oder Süden. Die Hände lagen meistens über dem Unterleib. Die erwachsene Dame (8) lag dagegen auf dem Bauch, ein Arm unter ihrem Körper, ein Bein seitlich abgespreizt und am Knie abgewinkelt. Darüber hinaus lag sie in einem Sarg, der für einen "Schreiber Neferkhaut" beschriftet worden war - nicht notwendigerweise der Eigner des Grabes. Keiner der Körper war mumifiziert, daher waren nur noch die blanken Knochen erhalten. Die Bandagen aller dieser Mumien waren nachlässig angebracht und teilweise von miserabler Qualität.
Noch weniger lässt sich über die Begräbnisse in der oberen östlichen Kammer sagen, da diese Kammer in griechisch-römischer Zeit geplündert wurde.

Deutlich imposanter waren die Begräbnisse von Neferkhaut, Ren-nefer, Bekamun, Ruyu und Amenemhat. Sie alle hatten schön dekorierte Särge und Kanopenschreine (siehe folgendes Foto). Weiterhin erhielten sich zahlreiche Grabbeigaben, von denen einige Dinge auch aus dem persönlichen Besitz der Toten stammten. Alle waren einer einfachen Mumifizierung unterzogen worden, wobei Eingeweide und Hirn nicht entfernt worden waren. Nach eine langen Trocknung in Salzen waren die Körper mit pechhaltigen Konservierungsmitteln durchtränkt worden.

Die Abbildung oben zeigt den restaurierten Kanopenschrein der Ruyu (Foto: Hayes, BMMA, 1935). Der Kasten steht auf einem Schlitten und ist auf allen vier Seiten mit einer Göttin dekoriert: Isis (Osten), Nephthys (Westen), Neith (Süden) und Selket (Norden), die jeweils auf einem Nb-Zeichen knien. Die Inschriften entlang der Seitenkanten mit Schutzsprüchen, die jeweils von der auf der Seite dargestellten Göttin rezitiert werden. Die Inschriften zitieren auch denjenigen Horussohn, der mit der Göttin zusammen das betreffende Organ der Verstorbenen schützt. Über die Mitte des Deckels lief ein Band mit einer Opferformel, in der Anubis als der wesentliche Wohltäter Ruyu´s genannt wurde. Das Äußere des Schrein war pechschwarz bemalt, die Dekoration war in strahlendem Orange-Gelb ausgeführt, so dass der Schrein ausgezeichnet in Qualität und Stil zum Sarg der Ruyu passte.

Nicht nur die Grabbeigaben entsprachen den Vorstellungen der 18. Dynastie, auch die Einsargung der Mumien entsprach den Regeln. Bei 4 der 5 Begräbnisse war die Position der Körper identisch: alle lagen ausgestreckt auf dem Rücken, die Beine geschlossen und die Hände auf dem Abdomen zusammengelegt.
Nur bei Boki (Bekamun) ist etwas schiefgegangen: irgendwann während der Bandagierung haben die Einbalsamierer die Orientierung verloren und wussten nicht mehr, wo Vorder- und Rückseite der Mumie war. Als die Mumie beim weiteren Einwickeln immer weniger nach einer "Mumie aus der 18. Dynastie" aussah, haben sie die Form mittels Polstern korrigiert - und Boki bäuchlings in den Sarkophag gelegt.

Die beiden Fotos zeigen (oben) die noch eingewickelte Mumie Bokis und (unten) die Mumie nach dem Auswickeln (Fotos: Hayes, BMMB, 1935)

Alle Mumien waren in anthropoiden Sarkophagen bestattet worden. Die Sarkophage waren  aus feinem Nadelholz, importiert aus dem Libanon, fehlerlos in bester Tischlermanier gefertigt worden, wobei nicht ein einziger metallener Nagel benutzt worden war. Die älteren Sarkophage reflektieren den Übergang von den (gefiederten) Rishi-Särgen, die in der 17. Dynastie und am Anfang der 18. Dynastie in Mode waren, und den glänzend schwarzen, mit Inschriftenbänder versehenen Särgen, die charakteristisch für die Mitte und das Ende der 18. Dynastie waren. Auf dem Deckel des Sarges von Ren-nefer finden sich die Bänder des neuen Dekorationsstiles zusammen mit den aufgemalten Flügeln des Geiers aus der alten Rishi-Dekoration. Die Grundfarbe des Sarges ist das selten verwendete Blau.
Der vermutlich aus gleicher Zeit stammende Sarg des Neferkhaut zeigt keine Reste des Rishi-Stils mehr und die Grundfarbe ist Weiß, was zu Beginn der Dynastie häufiger vorkam. Die späteren Särge von Boki und Ruyu sind schwarz, der von Amenemhat wiederum weiß.
Die beschrifteten Bänder auf den Särgen simulieren eindeutig die Abschlussbindung der bandagierten Mumie im Sarg. Das vertikale Band auf dem Sargdeckel trug in allen Fällen die Hauptinschrift, entweder eine Aussage über die dem Verstorbenen von Osiris gewährten Vergünstigungen (Sarg der Ruyu) oder ein Gebet des Verstorbenen an die Himmelsgöttin Nut. Die vom vertikalen Band beidseitig abgehenden Querbänder trugen Widmungen des Verstorbenen an Anubis und die 4 Genien (i.e. die 4 Horus-Söhne) der Toten. Die Querbänder teilen die Seiten des Sarges in mehrere rechteckige Felder auf, in denen die Götter dargestellt sind, die im Text erwähnt werden (so bei Neferkhaut, Ren-nefer, Ruyu, und Amenemhat), In allen Fällen steht bei den Götter noch ein Schutzspruch für den Verstorbenen. Am flachen Teil des Fußendes ist jeweils Isis dargestellt, die Arme schützend ausgestreckt.
Mit besonders großem Aufwand waren die Särge von Neferkhaut und Ruyu hergestellt worden - die Dekoration war sowohl geschnitzt als auch gemalt. Die Gesichter auf den Särgen von Neferkhaut, Ren-nefer und Ruyu, sowie die alternierenden Streifen der Frisuren waren mit Blattgold bedeckt. Auf diesen drei Särgen waren die Augen entweder in feines Holz oder in Bronze (Ruyu) eingelegt, die Cornea war jeweils aus Alabaster und die Iris aus Obsidian gefertigt worden. Mit Ausnahme von Neferkhaut hatten die Gesichter, alle rötlich-gelb gemalt oder vergoldet, keinen Bart. Der Sarg von Ruyu war irrtümlich mit einem Bart versehen, den hatte man allerdings wohl bei der Beerdigung entfernt, und in ihrem Kanopenschrein versteckt.
Neben den Särgen hatten Neferkhaut, Ren-nefer und Ruyu noch Kanopenschreine (siehe oben) mit jeweils 4 Gefäßen mit ins Grab bekommen. Alle Gefäße waren jedoch leer geblieben, da den Verstorbenen keine inneren Organe entnommen worden waren. Obwohl die Kanopen nie benutzt wurden - vielleicht war eine Benutzung auch nie beabsichtigt gewesen -, waren Kanopen und Kanopenschreine mit großer Sorgfalt hergestellt, dekoriert und ausgerichtet (die Gefäße in den Schreinen) worden. Im Gegensatz zum Kanopenschrein der Ruyu waren die Schreine von Neferkhaut und Ren-nefer unbemalt und einfacher gearbeitet.

Zur Ausstattung von Neferkhaut, Boki und Ruyu gehörte auch das Totenbuch, und zwar jeweils eine 23.5 x 3.5 cm große, fein-gekörnte Papyrusrolle. Diese enthielt auf der Innenseite eine Auswahl von Sprüchen, die der Verstorbene rezitieren sollte, um sein Wohlergehen im Jenseits zu sichern. Boki besaß neben dem Totenbuch noch 2 weitere Papyri, ein völlig unleserlicher Papyrus lag über den Oberschenkeln, der andere lag ausgebreitet auf seiner Brust und enthielt wahrscheinlich ein Auszug aus dem Amduat. 

Neben Schmuckstücken (e.g. Skarabäen, Ringe) die direkt auf dem Körpern lagen, wurden den Verstorbenen auch zahlreiche Gegenstände des täglichen Gebrauchs mit ins Grab gegeben. In den Schmuckkästchen von Ruyu und Ren-nefer fanden sich u. a. weitere Skarabäen, Salblöffel, Kohl-Stücke, Bronzespiegel, hölzerne Haarnadeln, etc.. Boki und Amenemhat bekamen einen Satz Rasierklingen und Messer samt Schleifstein mit ins Grab. 

Vielleicht haben sich die Menschen in Theben noch an die Herrschaft der Hyksos erinnert, die ja nur wenige Jahre vergangen war, und die Notwendigkeit sich auch militärisch behaupten zu müssen, den Neferkhaut und Boki wurden auch mit Waffen beigesetzt. Neferkhaut Ausrüstung bestand aus Pfeil und Bogen, Fechtstöcken mit Bronzekappen, lange Fechtstöcke aus schwerem dunklen Holz. Boki imponierte mit einer Streitaxt, die aus einem Bronzekopf und einem Ebenholzschaft gefertigt war, und durch ein langes Wurfholz (Boomerang).

Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)