Maat-ka-Ra Hatschepsut

last update: 09.07.2008

Nubien-Feldzüge


Lange Zeit war man in der Ägyptologie der Ansicht, die Regierungszeit der Hatschepsut sei eine Zeit des Friedens ohne militärische Auseinandersetzungen gewesen. Die Königin, so glaubte man, habe sich hauptsächlich um Entwicklung und Erhalt des Landes gekümmert, nachdem ihre Vorgänger die Hyksos vertrieben und die Beiden Länder wieder vereint hatten.
Verantwortlich für diese Einschätzung waren sowohl die Tatsache, dass die patriarchalische Einstellung der frühen männlichen Ägyptologen einer Königin keine (physische) Teilnahme an Feldzügen zutrauten, man folglich eine pazifistische Politik geradezu unterstellte, und die offensichtlich fehlenden Belegen für militärische Aktivitäten aus der Zeit der Hatschepsut.
Dabei hat man allerdings klare Belege in Form von Darstellungen bzw. Inschriften in ihren abgerissenen Bauten, zerstörten Reliefs in Djeser djeseru, einem Graffito auf Sehel und der Stele eines gewissen Djehutj übersehen.

Oben ein Reliefstück aus dem Tempel Djeser djeseru der Hatschepsut, dass einen Bogenschützen zeigt (Kalkstein, 14,5 x 17 cm; aus: The Walters Art Museum, Nr. 22.98, Baltimore, USA). Derartige Darstellungen von Elitesoldaten finden auf mehreren Reliefszenen in der Hathorkapelle und auch auf der oberen Terrasse. Sie zeigen eindeutig, dass den militärischen Notwendigkeiten des Reiches eine entsprechende Aufmerksamkeit zuteil wurde.

E. Naville schreibt in seinem Bericht über die Ausgrabungen in Deir el-Bahari, Teil III (London 1898):
..... Die Fragmente der Inschriften, die bei den Ausgrabungen in Deir el Bahari gefunden wurden, zeigen, dass während der Regierungszeit der Hatschepsut Kriege gegen die Äthiopier, und wahrscheinlich auch gegen den Asiaten geführt wurden. Zu diesen Kriegen, die die Königin zu ihren ruhmreichsten zählte, gehörte auch ein Feldzug gegen die Völker des Oberen Nils, der daher auf ihren Wunsch auch auf den Wänden ihres Tempels, der zur Erinnerung an all ihre großen Taten dienen sollte, dargestellt wurde.
Auf der kurzen Wand, die die östliche Säulenhalle auf der Südseite abschließt, gab es eine Darstellung dieses Feldzuges. Der Gott von Nubien, Tetun (i. e. Dedun) wird gezeigt, wie er der Königin eine Reihe von gefangenen Stämmen oder Orten bringt, jeder von ihnen gewohnheitsmäßig dargestellt durch eine Kartusche mit Zinnen und einem Negerkopf darüber. Diese Darstellung war komplett von den Kopten zum oberen Teil des Tempels verbracht worden; nichts davon blieb in situ außer den Endzeichen einiger Kartuschen. Jedoch wurden mehrere Blöcke wiedergefunden; unter ihnen die Gestalt des Gottes Tetun und einiger Gefangener. Die meisten dieser Blöcke waren Stützmauern des Haupthofes verbaut worden.
Alle gezeigten Leute gehören zum Land von Kush, und sie werden von Tetun als Khasetu resu (das Volk des Südens) oder Antin Khent (die Anti von Nubia) bezeichnet......
 

Darüber hinaus schrieb der "Graf, Siegelbewahrer des unterägyptischen Königs, Einziger Freund, Vorsteher der Siegelbewahrer, der, der sich um die Kriegsbeute zu kümmern hat", Ty (Tai), in seinem Graffito auf der Insel Sehel:
"Ich habe den Guten Gott, Seine Majestät [.....] dem Leben geschenkt sei, begleitet. Ich habe gesehen, das (S.M.) die Iwn-[...] zu Fall gebracht hat (und dass) er ihre Großen als Gefangene lebend heimgebracht hat. 
Ich habe gesehen, dass er das Land NHs zerstört hat, denn ich war im Geleit Seiner Majestät. Ich war Königsbote, der das Aufgetragene tut. .."

Graffito des Ty auf Sehel (aus: Habachi, L., JNES 16, 1957). Die in der Kartusche noch zu erkennenden Zeichenreste lassen sich zwanglos als "Maat-ka-Ra" lesen. Die horizontale Zeile unter der Inschrift besagt, dass diese Inschrift von einem Handwerker des Amun, (namens) Amenmesse gemacht wurde.

Ty's Titel sind nach Habachi (1957) alle wohlbekannt, mit der Ausnahme des letzten "xf a" - das Wort bedeutet "ergreifen, fassen, (im Kriegszug) Beute machen" (Hannig, 1997, S. 597) - man muss daher wohl davon ausgehen, dass dieser Ty "...im Geleit Seiner Majestät ..", d.h. wohl nicht als Soldat sondern als Beamter, Teilnehmer des Feldzuges und somit Augenzeuge gewesen ist.
Wann der Feldzug bzw. die Strafaktion anlässlich eines Aufstandes stattfand, geht aus der Inschrift nicht hervor, da keine Datumsangabe enthalten ist. Der Titel "Guter Gott" belegt jedoch, dass der Feldzug erst nach der Thronbesteigung der Hatschepsut erfolgt ist.
Dieser Ty dient auch unter Thutmosis III. und wurde fünf Jahre nach dem Tode der Hatschepsut, also im Regierungsjahr 25, auf einer Stele in Serabit el-Khadim erwähnt (Ratie, 1974).

Diese Inschrift ist für Habachi der Anlass, in der gleichen Publikation darauf hinzuweisen, dass einige Textfragmente aus dem Grabe des Senenmut (TT71) und ein Abschnitt auf der Stele des Djehutj in dessen Grab (TT11) in einem anderen Licht zu betrachten seien.
Das Textfragment bei Senenmut lautet (Urk. IV, 399; in Übersetzung von Blumenthal, et. al., 1984):
[....] des Erscheinens (?) [....] Südland (tA-nHsj) [....] gemacht von (?) [...] deine Gestalt (?) [.....Ich habe] gepackt [.....] Schmuckband [.....] drittes Mal des Packens [...] jeder [....]
"Packen" ist hier wohl als "Beutemachen" zu interpretieren und da sich vor der Regierungszeit der Hatschepsut bei Senenmut kein Hinweis darauf findet, dass er in Nubien gewesen sei, kann hier nicht nur von einem Feldzug unter Hatschepsut die Rede sein.

Der Schatzhausvorsteher und Aufseher der Arbeiter, Djehutj ließ im Hof seiner Grabanlage (TT11) an der Nordwand zwei Stelen aufstellen, darunter die später so genannte "Northampton-Stele". Diese Stele war auf der rechten Seite des Hofes, rechts vom Durchgang zur Halle in den Fels gearbeitet worden und berichtet über die zahlreichen Aufgaben, die dieser Djehutj beaufsichtigt hatte. Der biografische Textteil enthält folgenden Bericht (Urk. IV, 438; in Übersetzung von Blumenthal, et. al., 1984):
"[Ich] besichtigte [das Messen der Beute] dieses starken [Königs] aus dem elenden [Kusch], wie Feigen (gemessen werden). [...] der Herrscher - er lebe, sei heil und gesund - [selbst ...] einen herrlichen Heqat Elektron. Und der Messer sagte eine Zahl an (größer) [als] sie ...."
Habachi hält es aufgrund der Beschreibung von Djehutj nicht nur für möglich, dass die Königin ihre Truppen nach Kusch begleitete, sondern auch, dass Djehutj die Königin sogar beim Einsammeln der Beute beobachtet hat.

Mittlerweile werden mindestens vier Feldzüge nach Nubien für die Zeit der gemeinsamen Herrschaft von Hatschepsut und Thutmosis III. angesetzt. An mehreren, möglicherweise aber auch an allen, Feldzügen nach Nubien hat wohl auch Thutmosis III. teilgenommen (O'Connor in: Cline, O'Conner, 2006).

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Copyright: Dr. Karl H. Leser (Iufaa)